Lebe lieber innovativ
Bestätigung, dass sie nichts weiter als die Mindestanforderungen erfüllen müssen, wenn sie eine bestimmte Note haben wollen. Das gilt auch für das Berufsleben, wenn Vorgesetzte ihren Mitarbeitern ganz bestimmte Ziele vorgeben und Kriterien für Boni und Beförderungen aufstellen.
Es ist einfach, Erwartungen zu erfüllen, wenn man genau weiß, was man im Gegenzug dafür erhält. Doch es passieren
wirklich erstaunliche Dinge, wenn man seine Energie nicht länger zurückhält. Wir alle haben den Drang, Energie freizusetzen. Wenn wir das zulassen, durchbrechen wir unsere vermeintlichen Grenzen und erreichen außergewöhnliche Resultate.
Schauen wir uns das Beispiel von Ashwini Doshi an, die ich vor einigen Jahren getroffen habe. Sie hatte einen Aufbaustudiengang belegt und bewarb sich an unserem Fachbereich als wissenschaftliche Hilfskraft. Trotz meiner Offenheit war ich bestürzt, als sie zum Vorstellungsgespräch in meinem Büro erschien. Denn Ashwini ist zwar eine wunderschöne Frau, doch sie ist nur gut einen Meter groß. Sie hat eine Stimme wie ein kleines Mädchen, aber sie denkt wie eine reife Erwachsene. Es ist mir peinlich, aber ich muss gestehen, dass ich sie nicht eingestellt habe. Das passiert Ashwini oft. Die Menschen sind von ihrer äußeren Erscheinung so irritiert, dass sie sie erst besser kennen lernen müssen, bevor sie über ihre körperliche Andersartigkeit hinwegsehen können. Ich hatte das Glück, dass sie einen Kurs bei mir belegte, denn dadurch konnte ich sie recht gut kennen lernen. Als dann später in unserem Team wieder eine Stelle zu vergeben war, ergriff ich sofort die Chance und stellte Ashwini ein. Sie leistete vorbildliche Arbeit, war ungemein teamfähig und ging immer weit über das hinaus, was von ihr erwartet wurde.
Sie war in Mumbai (früher Bombay) geboren worden und wuchs in einem 19-köpfigen Haushalt mit ihrem Vater, seinen drei Brüdern, deren Ehefrauen, allen ihren Kindern und mit ihren Großeltern auf. Bei der Geburt hatte Ashwini noch eine normale Größe, doch als sie ein Jahr alt war, stellte sich heraus, dass sie kleinwüchsig war. Da die Ärzte in Indien keinerlei Behandlungsempfehlung geben konnten, schickten die Eltern
Röntgenbilder von ihrem winzigen Skelett an Spezialisten in den Vereinigten Staaten. Die einzige Möglichkeit, dem Kleinwuchs entgegenzuwirken, hätte darin bestanden, ihre Gliedmaßen mit Knochenverlängerungen auszustatten. Für dieses Verfahren wären umfangreiche Operationen erforderlich gewesen, die sich über sechs Jahre hingezogen hätten. Sie hätte dann auch jeweils monatelang im Bett bleiben müssen, was für das überaus aktive kleine Mädchen gar nicht infrage kam.
Ashwini hatte das Glück, dass ihre Familie sehr aufgeschlossen und liebevoll war. Vielen anderen Familien vor Ort wäre es vermutlich ausgesprochen peinlich gewesen, ein Kind zu haben, das so anders ist, und sie hätten es womöglich weggesperrt. Doch das blieb Ashwini erspart. Sie besuchte stattdessen die besten Schulen von Bombay und schnitt immer glänzend ab. Sie hat eine bemerkenswert positive Einstellung und fühlte sich merkwürdigerweise von klein auf durch ihre Andersartigkeit immer gestärkt. Bis heute sieht Ashwini sich als einen ganz gewöhnlichen Menschen, der lediglich ein ungewöhnliches Leben führt.
Ashwini ist fest davon überzeugt, dass es nichts gibt, was sie nicht kann, und das hat sie immer wieder unter Beweis gestellt. Sie kam ganz allein nach Kalifornien, um hier ihr Aufbaustudium zu absolvieren. Nach ihrer Ankunft musste sie nicht nur die kulturellen Unterschiede und ihre körperlichen Einschränkungen verkraften, sondern auch das Alleinsein. Viele ihrer Freunde hatten ihr geraten, zu Hause zu bleiben, weil das Leben in Indien für sie viel leichter sei. Doch sie ließ sich nicht beirren. Als sie an der Stanford ankam, stand ihr als einziges Hilfsmittel ein kleiner Tritthocker zur Verfügung, auf den sie stieg, um den Herd zu benutzen. Die Hindernisse, die
das Leben ihr täglich in den Weg stellt, überwindet sie stets mit einfallsreichen Mitteln.
Als ich Ashwini einmal fragte, welche Probleme ihr zu schaffen machen, musste sie erst überlegen, bis ihr eines einfiel – denn sie nimmt sie einfach nicht als solche wahr. Auf mehrfache Nachfrage nannte sie dann die Schwierigkeit, eine Fahrschule zu finden, die bereit war, sie auszubilden. Nachdem sie jahrelang auf Mitfahrgelegenheiten bei Freunden und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war,
Weitere Kostenlose Bücher