Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
zu spät war, wurde ihr wohl klar, dass das gar nicht stimmte. Ich fragte mich, ob ich ansonsten schon früher eine Beziehung zu ihr hätte aufbauen können, ob ich das alles hätte aufhalten können.
Solche Gedanken konnten einen wirklich in den Wahnsinn treiben.
Letztendlich war es doch so: Vivian hatte Entscheidungen getroffen und dafür bezahlt. Dank der Feen hatte sie jetzt keine Alternative mehr. Aber ich schon. Ich würde dieses Leben so gestalten, wie ich es mir vorstellte. Zum Teufel mit Reth – ich würde glücklich sein. Ich würde auf allen Hochzeiten tanzen.
Oder genauer gesagt, normal sein und gleichzeitig den Paranormalen-Tango tanzen. Ich war nun mal was Besonderes, wem wollte ich was anderes vormachen? Jetzt musste ich nur noch Raquel eine E-Mail schreiben. Ihr Tag war auf jeden Fall schon mal gerettet.
Wie Aphrodite auf Steroiden
»Quatsch.« Lachend schlug ich meinen Spind zu.
»Nein, im Ernst«, protestierte Lend. »Todernst. Der Typ ist ein Kobold.«
»Dein Professor für technisches Schreiben ist mit Sicherheit kein Kobold.«
»Woher willst du das wissen? Das ist genau der Grund, warum du nächste Woche blaumachen und mit mir zum College kommen musst. Dann kannst du’s mit eigenen Augen sehen. Ich weiß nur, dass er rote Haare und rote Haut hat, ungefähr einen Meter zwanzig groß ist und nur Grün trägt.«
Ich verdrehte die Augen, auch wenn Lend das durch mein rosa Glitzerhandy natürlich nicht sehen konnte. »Und warum sollte ein Kobold Dozent an der Uni werden?«
»Was weiß ich? Entweder wurde es ihm am Ende des Regenbogens zu langweilig oder er konnte keinen vierblättrigen Klee mehr sehen oder die Töpfe voller Gold haben ihren Glanz verloren – such dir was aus. Aber ich hab auf jeden Fall recht. Ach ja, und hab ich dir erzählt, dass unsere Laborantin vielleicht eine Dryade ist?«
»Moment, sind die nicht notorisch lüstern?«
Schweigen am anderen Ende.
»In dieses Labor gehst du mir nie wieder, hast du mich verstanden?«
Lend lachte und ich schloss die Augen und rief mir sein Bild ins Gedächtnis. »Glaub mir, es gibt nur eine Paranormale, von der ich mir wünsche, dass es sie notorisch nach mir gelüstet.«
Ich seufzte. »Schön, aber ich fürchte, so kurzfristig kann ich keine Moorhexe auftreiben.«
Wieder lachte er und übertönte fast die Schulglocke. Panisch sah ich mich um. Ein einsames Blatt Papier flatterte durch den mittlerweile verlassenen Flur.
»Mist, ich komm zu spät! Wir reden später weiter, okay?« Ich klappte mein Handy zu und rannte in Richtung Umkleide. Wenigstens hatten wir Sport, das verschaffte mir noch ein bisschen Zeit.
Dachte ich zumindest. Miss Lynn, diese grauenhafte Kreatur, stand nämlich vor der Tür und hakte alle Mädchen, die hereinkamen, ab. Sie sah auf und lächelte, sichtlich erfreut über meinen Regelbruch. »Damit verlierst du die Hälfte deiner Teilnahmepunkte für heute, Green. Wenn du noch mal zu spät kommst, ist Nachsitzen fällig, wenn ich das richtig sehe.«
Wo war Tasey, wenn ich sie mal wirklich brauchte? Ich wandte meine gesamte Willenskraft auf, um ein Augenrollen zu unterdrücken, während ich in die Umkleide schlich. Der zarte Duft von Schweiß und Schimmel empfing mich, während ich Mädchen in verschiedenen Stadien der Bekleidetheit passierte, um zu meinem Spind zu kommen. Sogar der war mir heute nicht so sympathisch wie sonst.
Carlee, die schon fast fertig war, schlüpfte gerade in ihre Sportschuhe. Im Ernst, wie ihr Busen in einem Sport-BH so gut aussehen konnte, war mir ein Rätsel und eine ständige Quelle des Neids gleichermaßen.
Sie schüttelte den Kopf. »Du musst vorsichtiger sein. Miss Lynn kann dich echt nicht leiden.«
Seufzend zog ich meine Sportklamotten an. Welche Schule bitte schön wählte Gelb und Braun als ihre Farben? Igitt. Waren wir hier vielleicht auf der Biene-Maja-Akademie? »Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Und, wie war dein Wochenende?«
»Schrottig. Lend musste zum College zurück.«
»Wie doof. Tut mir leid.«
»Und deins?«
Sie strahlte. »Toll! John und ich sind wieder zusammen, weißt du? Und zuerst dachte ich, super! Aber dann sollte er mich Freitagabend anrufen, hat er aber nicht gemacht, und ich sag so –« Mein Blick ging ins Leere, während ich mich bemühte zuzuhören. Ich mochte Carlee und war auch wirklich froh, eine Freundin zu haben, die nicht untot war, aber manchmal war mir die Anstrengung, die es bedeutete, eine Mädchenfreundschaft aufrechtzuerhalten,
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