Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
Veränderungen in der Welt der Paranormalen – nichts so Dramatisches wie im April, aber doch genug, dass wir auf externes Personal angewiesen sind, um alles unter Beobachtung zu halten.«
»Tja, wenn das so ist, werd ich es wohl einrichten können.« Ein Abend ohne Kuhflecken und Fritteusenfett? Piep noch mal, und ob ich das einrichten konnte! »Und wo soll’s hingehen? Italien? Island? Oohh, ich hätte Lust auf Japan!«
»Ganz so exotisch wird es leider nicht. In die Zentrale.«
Und innerhalb einer Sekunde verwandelte sich meine Aufgeregtheit in eisige Furcht.
Ich konnte nicht dahin zurück. Die Zentrale war ein Massengrab. In meiner Vorstellung hatte sich dort seit meinem letzten Tag nichts verändert. Leblose Vampire, die in den Fluren lagen, grausig erleuchtet vom Flackern des Alarm-Stroboskops, dem es jedoch auch nicht gelungen war, meine Lieblingsmeerjungfrau zu retten. Ich ertrug den Gedanken nicht, das wiederzusehen, was einmal unser Zuhause gewesen war.
»Raquel, ich –«
»Wir sehen uns dann um acht!« Die Verbindung brach ab und ich starrte benommen auf den Kommunikator.
Zwei Stunden später lag ich noch immer auf meinem Bett und stierte an die Decke. Nicht einmal das vertraute Gefühl von Tasey in meiner Hand bewirkte, dass es mir besser ging.
Ich musste Raquel sagen, dass der Deal geplatzt war. Ich konnte einfach nicht zurück. Sobald ich meine Finger dazu brachte, ihre Nummer einzutippen, würde ich es ihr sagen. Auch wenn die Enttäuschung in ihrer Stimme mich fast umbringen würde. Sie war so aufgeregt gewesen, dass wir wieder zusammenarbeiteten, ja, sie wirkte sogar richtig glücklich. Und glücklich war sie nur alle Jubeljahre mal. Und jetzt musste ich ihr erklären, dass ich doch nicht zurückkam, weil ich zu viel Schiss hatte.
Wie lahm klang das denn?
Ich drehte mich auf die Seite. Auf dem Nachttisch funkelte der Anhänger, den Lend mir geschenkt hatte, und ich streckte den Finger aus und fuhr damit über den Rand des Herzes.
Warum musste immer alles so kompliziert sein? Manchmal hätte ich am liebsten eine Erinnerung genommen – eine einzelne perfekte Erinnerung –, um mich darin zusammenzurollen und einzuschlafen. Wie meinen ersten Kuss mit Lend zum Beispiel. In dieser Erinnerung könnte ich sogar wohnen, für immer. Nur wir beide und unsere Lippen und wie wir herausfanden, wie gut sie zusammenpassten. Wenn sich alles so anfühlen würde, wäre das Leben wesentlich schöner.
»Mensch, Evie«, schnaubte ich, ließ mich wieder zurück auf den Rücken fallen und starrte weiter an die Decke. »Warum wälzt du dich nicht noch ein bisschen weiter in deinem Selbstmitleid, anstatt was dagegen zu unternehmen?«
»Selbstgespräche sind das erste Anzeichen von Verrücktheit«, bemerkte Arianna, die im Rahmen meiner offenen Tür lehnte.
»Ja, genau wie Dinge zu sehen, die sonst keiner sieht, aber das scheinen die Leute komischerweise an mir gut zu finden.«
»Da ist was dran. Wahrscheinlich bist du schon seit Jahren verrückt. Und ich bin nur eins deiner Hirngespinste.«
»Wenn das so wäre, würde ich mir dich aber weniger unordentlich einbilden.«
Sie seufzte. »Ist das nicht traurig, dass du dich selbst so sehr hasst, dass du dir noch nicht einmal eine angenehmere Mitbewohnerin zusammenfantasieren kannst?«
»Nicht so traurig wie die Tatsache, dass du selbst zugibst, wie erbärmlich du in dieser Hinsicht versagst. Bei dem Chaos hier gefriert einem ja das Blut in den Adern!«
Sie schenkte mir ein verschlagenes Grinsen und verengte die Augen. »Wenn ich du wäre, würde ich in meiner Gegenwart das Wort ›Blut‹ etwas sparsamer benutzen. Du willst mir doch keine dummen Ideen in mein hübsches, totes Köpfchen pflanzen, oder?«
Ich warf ein Kissen nach ihr.
»Jedenfalls«, sagte sie und zupfte an ihren rot-schwarzen Stachelhaaren (sehr viel cooler als die paar übrig gebliebenen Strähnen, die unter ihrem Cover an ihrem verschrumpelten Schädel klebten – nicht hingucken, erinnerte ich mich mal wieder), »ist es jetzt dunkel draußen. Lass uns ins Kino gehen. Sonst komm ich vor Langeweile noch um.«
»Zu spät.«
Sie warf das Kissen zurück und ging wieder ins Wohnzimmer. Ich hockte mich auf die Bettkante und seufzte. Der Kommunikator neben meinem Kopfkissen schien Wellen von schlechtem Gewissen auszustrahlen, aber ich konnte Raquel einfach nicht anrufen. Na ja, in – ich warf einen Blick auf die Uhr – zehn Minuten würde sie ja merken, dass ich nicht
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