Leben aus der Asche
niemanden gesehen? Überhaupt keine Überlebenden?«
Der Mann schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
»Wie heißen Sie überhaupt?«
»Modler. Ben E. Modler.«
»Haben Sie Papiere?«
»Verloren.«
»Sie können nicht mal beweisen, wie Sie heißen?«
Der Mann schüttelte schwach den Kopf.
»Sir«, warf einer der Umstehenden ein, »Sir, das scheint mir nicht verdächtig zu sein. Wahrscheinlich hat der Mann genug damit zu tun gehabt, sein nacktes Leben zu retten!«
Der General sah ihn nachdenklich an.
»Vielleicht haben Sie recht«, sagte er nach einer Weile. »Trotzdem ist es eine unglaubliche Schlamperei. Man muß doch Papiere bei sich haben!«
Der General sah nicht, wie der Mann, der den Einwurf gemacht hatte, gequält das Gesicht verzog.
»Sorgen Sie dafür, daß sich ein Krankenpfleger um ihn kümmert«, sagte der General. Und zu Modler gewandt fuhr er fort: »Sie haben Glück, daß ich im Augenblick Ihre Angaben nicht nachprüfen kann.«
Aber Modler hörte ihn schon nicht mehr. Er hatte die Augen geschlossen.
Der General wäre vermutlich nicht so beruhigt in sein Büro zurückgekehrt, wenn er gewußt hätte, daß ihn der Mann vorhin belogen hatte.
Denn er hieß nicht Ben E. Modler. Und er kam auch nicht aus Tucson.
Er hieß Jack Ewert und kam aus Jackville.
Und er war wirklich ein guter Schauspieler.
*
Der Leutnant erschien in der Kantine und bestellte sich einen Kaffee. Das Gespräch vorhin hatte ihn sehr angestrengt. Er war natürlich als Soldat zum Gehorsam verpflichtet, und er nahm seine Pflichten auch durchaus ernst. Aber manchmal verspürte er den merkwürdigen Wunsch, den General dahin zu treten, was man im allgemeinen als verlängertes Rückgrat bezeichnete. Und Leutnant Peter B. Schultz verspürte diesen Wunsch immer dann, wenn der General besonders penibel und bürokratisch wurde.
Schultz rauchte eine Zigarette und dachte über den Mann nach, den der General eben in die Zange genommen hatte. Er verspürte Hochachtung vor Modler, denn wer diese gewaltige Strecke zurückgelegt hatte, mußte über eine erhebliche Energie verfügen.
Trotzdem hatte Schultz das unbestimmte Gefühl, daß mit dem Mann irgend etwas nicht stimmte. Er dachte noch einen Augenblick darüber nach. Als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, setzte er die Tasse fest zurück. Er drückte die Zigarette aus. Er hatte schon zu lange hier herumgesessen.
Und außerdem, sagte sich Leutnant Peter B. Schultz, hatte er sich als Soldat nicht mit Gefühlen abzugeben, sondern mit Tatsachen. Und Befehle waren Tatsachen. Unbestimmbare Gefühle waren etwas für alte Weiber.
Schultz stand auf und zog die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich.
»Ich brauche einen Krankenpfleger«, sagte er.
Dave Davies stieß Dee an.
»Das ist bestimmt wegen des Mannes, den sie vorhin aufgegriffen haben«, sagte er.
Aber Simon Dee hörte ihn schon nicht mehr. Er war aufgestanden.
»Ich, Sir!« sagte Simon Dee. »Ich bin ausgebildeter Krankenpfleger!«
»Okay, kommen Sie her«, sagte Schultz, »ich zeige Ihnen den Mann.«
Simon Dee ging hinter ihm her.
Er war der zweite innerhalb kurzer Zeit, der faustdick gelogen hatte.
Simon Dee hatte keine Ahnung von Krankenpflege.
*
Vor dem Bett blieb Schultz stehen und sah Modler an.
»Dee wird sich um Sie kümmern«, sagte er. »Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich an ihn. Wenn Sie noch eine Aussage zu machen haben, lassen Sie mich rufen.«
Aber Modler schien ihn nicht zu hören. Er hatte die Augen geschlossen und atmete tief und regelmäßig.
Leutnant Schultz zuckte die Schultern und wandte sich an Dee.
»Sagen Sie es ihm, wenn er wieder zu sich kommt. Und päppeln Sie ihn mal ein bißchen auf, er ist ja ganz heruntergekommen, der arme Kerl!«
Dee nickte eifrig.
»Sie können sich auf mich verlassen, Sir!« sagte er stramm.
»Ist schon gut, Sie sind hier nicht auf dem Kasernenhof.«
»Entschuldigen Sie, Sir, ich dachte nur ...«
»Machen Sie das, wenn der Alte kommt; für mich brauchen Sie keine Männchen zu bauen.« Es schien, als wolle er noch etwas sagen, aber dann drehte er sich wortlos um und verließ den Raum.
Simon Dee war mit Modler-Ewert allein.
Er zog einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Er war ehrlich genug, zuzugeben, daß er durchaus nicht wußte, was er nun tun sollte.
»Haben Sie Hunger?« fragte er.
Der Mann bewegte sich unruhig und schlug die Augen auf.
»Hallo«, sagte er leise.
»Hallo«, sagte Dee und grinste. »Haben Sie
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