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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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uns bleiben müssen«, sagt Nora.
    »Feiger Hund«, knurrt Mehmet aus dem Hintergrund.
    »Keath ist nicht feige«, widerspricht Maika scharf.
    »Stimmt, bei ihm ist abhauen und andere im Stich lassen ein Plus. Das zeichnet den Mann aus, es schmückt ihn und macht ihn zu einem ganz besonders guten Freund«, sagt Mehmet.
    »Halt die Fresse! Du nervst!«, brüllt Maika.
    »Wieso ist Keath, wenn er sich verhält wie ein feiger Hund, nicht feige? Erklär das mal ’nem schlicht gestrickten Türken wie mir!«, brüllt Mehmet zurück.
    »Was weiß ich?« Maika tut so, als überlege sie.
    Mehmet bellt: »Aha!«
    »Ey, speichle mich nicht ein, Alter.« Dali will mitpöbeln. »Wenn du ausflippen willst, mach das mit dir aus!« Übertrieben wischt er sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
    Nora sieht Maika an, dann zuckt sie die Achsel. »Es macht keinen Sinn. Scheint an der Sternenkonstellation zu liegen, heute hält man am besten die Fresse.«
    »Schweigen meinst du. Sooo.« Ein langes o und ein seltsamer Blick von Maika streift über Nora hinweg.
    »Was is?«
    »Bist du mit Keath zusammen oder nicht?«
    »Ja.«
    »Wie interpretierst du das?«
    »Was?«
    »Dass er abgehauen ist.«
    »Gar nicht. Hab keine Ahnung. Ende der Interpretation.« Worauf will Maika hinaus?
    »Findest du Keath feige?«

    »Nein. Aber ich versteh nicht, wieso er abgehauen ist.«
    »Denkst du, dass er grundlos abgehauen ist?«
    »Nein.« Noras Stimme wird ein Tick lauter.
    »Also muss er ’n Grund haben«, schlussfolgert Maika.
    »Und noch ’n weiteren Grund, uns den Grund nicht zu sagen, bevor er abgehauen ist«, sagt Nora. »Und das interpretiere ich auch nicht, weil ich es nicht kapiere. Verstehst du das?«
    Uuuhhhh! Mehmet beißt die Zähne zusammen und dreht sinnlos am Lautstärkeregler. Ich liebe sie, ich liebe sie, ich LIEBE sie, denkt er fieberhaft. Was mach ich bloß? Ich bin verloren ohne sie. Nora! Ich liebe dich! Wieso kommst du nicht zu mir? Und wieso hält die blöde Maika nicht ihre verdammte Klappe? Wieso trampelt sie immer auf andrer Leute Wunden herum?
    »Nein, versteh ich nicht«, sagt Maika kühl. »Du bist seine Freundin. Gefahr ist im Anmarsch und er haut ab. Vermutlich hat er einen Grund, nennt ihn dir aber nicht.«
    Nora ist mittlerweile richtig schlecht. Sie könnte Maika vor die nackten Füße kotzen, so setzt ihr das zu. »Ich interpretiere deine Rede mal so, dass wir ausschließen können, dass er vor mir abgehauen ist«, sagt sie und starrt Maika an. »Du kennst Keath länger und besser als ich. Was denkst du?« Wenn Maika sie schon krampfhaft eifersüchtig machen will, dann hat sie jetzt die Gelegenheit dazu.
    Maika zieht es vor, das Gespräch in konstruktivere Bahnen zu lenken. »Ich muss telefonieren. Hat wer was dagegen, dass ich Leif sage, dass die Pitbull-Glatzen wieder aktiv geworden sind?«
    Die drei anderen, Nora, Dali und Mehmet, sehen auf den Boden, auf die Wände, ins Leere, bloß nicht Maika an und schütteln den Kopf.
    Ein einziger Kontakt mit einem Schwein am Tag reicht aus,
dass sie auch zum Schwein wird. Darüber grübelt Maika nach, als sie ins Büro geht, und fragt sich, ob sie schwache Nerven oder einen schwachen Charakter hat. Sie seufzt und ruft Leif an. »Du musst kommen.«
    »Komm du.«
    Er sitzt im Café Möller. Eis und Kaltgetränke sind überzeugende Argumente.
    Maikas Sandalen liegen immer noch vor der Bühne. Sie zieht sie über und verkündet: »Ich muss was erledigen für den Chef!«
    Niemand reagiert oder sieht zu ihr hin.
    Schuldbewusst geht sie ab und zieht die Tür eine Spur heftiger hinter sich zu als nötig.
    Im großen Raum herrscht Stille, bis Nora sie unterbricht. »Seit drei Tagen schrubbe ich an diesem Ölfleck rum«, murmelt sie.
    »Öl?«, fragt Dali. Er hofft, dass Nora nicht nach oben zur Dachbodenklappe sieht. Sie bräuchte keine Sekunde, um den richtigen Schluss zu ziehen, und sein Lieblingsgeheimnis wäre keins mehr. »Muss jemand verschüttet haben.«
    »Verschüttet. Das denke ich auch«, sagt Nora kopfschüttelnd. Irgendwas hat heute der Menschheit in den Kopf geschissen, irgendwelche Partikel in der Luft verhindern Denkprozesse und menschenfreundliches Verhalten. »Wahrscheinlich ist einem Tänzer die Olivenölflasche in der Arschtasche aufgegangen und dann ist das Öl auf den Boden getropft. Oder einem Mädchen, das ihren Wimpernwuchs mit Rizinusöl anregen will, ist die Ölflasche in der Handtasche ausgelaufen. Aber wahrscheinlich hat genau hier ein Ölprinz zu Mehmets

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