Leben bis zum Anschlag
Oriental-Mix abgetanzt, bis ihm der Schweiß runtergelaufen ist. Ölprinzen schwitzen ja bekanntlich reines Öl.«
Das erste Mal seit der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag
lacht Mehmet laut. »Alter, gib schon zu, dass du hier dein Fahrrad eingeölt hast.«
»Sorry.« Dali tut zerknirscht.
»Mach’s weg.« Nora verdreht die Augen.
»Komisch, dass du gerade hier sitzt«, begrüßt Maika Leif.
»Wieso? Das ist doch mein Stammcafé.«
»Genau von hier aus haben vor einer Stunde drei Idioten mit Pitbulls Dali, Keath und Nora bis zum Hamburger Berg gejagt. Kuck dich mal um.«
»Sind die noch da?«, fragt Leif nervös. »Ich seh nichts, ist so voll hier.«
»Darauf will ich hinaus. Die stören sich nicht daran, dass sie von ’ner Menge Leute gesehen werden«, sagt Maika und bestellt sich einen Eiskaffee.
»Mir noch einen Amarettokaffee!«, ordert Leif.
Ob Ewald einen psychischen Defekt darin sehen würde, dass ihr bei der Vorstellung von Alkohol im Kaffee übel wird?, fragt sich Maika. Nein. Aber vermutlich würde er einen Zusammenhang mit ihrer kaputten, vaterlosen Kindheit darin sehen, dass sie was mit einem Alkoholiker oder jedenfalls einem Gewohnheitstrinker, der ihr Chef ist und noch dazu ihr Vater sein könnte, hat. »Willst du nicht wissen, ob sie zerfetzt worden sind?«
»Maika, hör auf! Sind sie?«
»Nein, kurz vorm Zerfetztwerden hat Orhan Gündür die Pitbull-Glatzen angehüstelt.«
»Der Mann hat eine beneidenswerte Autorität.« Leif verfällt ins Grübeln. Seine Kondition ist besser geworden, seitdem er auf dem Kiez nur noch mit dem Fahrrad unterwegs ist. Das hat er den Glatzen zu verdanken. Aber das ist auch schon alles. »Ich spiel
nicht mit den Muskeln vor drei Affen, die nichts in der Birne haben. Das wollen die nur, und ich hätte das Spiel sofort verloren.«
»Die wollen uns einschüchtern, dass wir nicht mehr bei dir arbeiten. Und es hilft uns nicht, wenn du gar nichts machst.«
»Willst du etwa aufhören?«, fragt Leif erstaunt.
»Nein. Ich brauch ’ne Bescheinigung, dass ich bei dir auf 400-Euro-Basis im Büro für Organisations- und Pressearbeit angestellt bin.«
»Kriegst du.«
Leif muss ein verdammt schlechtes Gewissen haben, wenn er nicht mal wissen will, wofür. Maika ist erleichtert, dass es so einfach war, ihm das Versprechen aus dem Ärmel zu leiern. »Heute noch?«
»Okay, nachher. Reicht das zeitlich?«
Maika nickt, löffelt die halb geschmolzene Eiskugel aus dem Glas und beobachtet die Leute auf dem Beatles-Platz, die sich gegenseitig mit den Skulpturen abfotografieren. Es sind fünf Beatles, inklusive Stuart Sutcliffe.
»Wofür?«
»Für die Schule«, sagt sie.
»Was für eine Schule?« Leif ist nicht begeistert. Sollte bald Schluss damit sein, gemütlich und gemeinsam mit Maika in den Tag hinein zu träumen?
»Ich werde Logopädin.«
Leif verschluckt sich, prustet und nimmt eine bläuliche Gesichtsfarbe an.
»Was ist daran komisch?«, fragt Maika mit einer gewissen Schärfe. Sie bekommt keine Antwort. »Ich geh dann mal wieder in den Club.«
»Ich komm nach.«
Maika beißt ihn leicht ins Ohrläppchen. »An einer angehenden Logopädin ist nichts Witziges, kapiert?«, flüstert sie ihm ins Ohr.
Leif ist kitzelig, er kriegt Gänsehaut und schüttelt sich.
Maika hat keinen blassen Schimmer, was sie mal werden will, aber Logopädin entspricht definitiv nicht ihrem Traumberuf. Bloß wenn jemand fragt, ist es sehr cool, wohlüberlegt und zugleich schräg zu behaupten: Ich werde Logopädin, denn meine Begabung liegt im Ausdruck, in der Arbeit mit Sprache. Es ist eine maßgeschneiderte Antwort auf die Frage von Sozialpädagogen und Schulleitern nach ihrer beruflichen Zukunfts- oder Wahnvorstellung.
Je nachdem wie man’s sieht.
Bis auf Bar und Toiletten erstrahlt der Club in frischem Glanz. Die Boxen vibrieren zwar immer noch nicht, aber die Atmosphäre ist nicht mehr ganz so eisig. Zumindest war sie es nicht, bis Maika und Keath fast zeitgleich hereinkommen.
»Seid ihr etwa schon fertig?«, fragt Keath locker und entspannt.
»Bis aufs Scheißhaus«, sagt Dali und starrt ihn unverwandt an.
»Beide Scheißhäuser.« Nora lässt Maika nicht aus den Augen.
»Entweder das Scheißhaus oder die Bar, beides mach ich nicht«, sagt Maika.
»Hast du sie nicht alle?«, brüllt Nora los. »Soll ich für dich etwa die Scheißarbeit machen, für die du Kohle einsackst, nachdem du mich so dermaßen beschissen angemacht hast?«
Sprachlos sieht Maika von Nora zu
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