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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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den andern. Noras Wut trifft sie unvorbereitet. Beim Eiskaffee hat sie den vorangegangenen Streit vergessen, und auf dem Rückweg hat sie nur an Mao gedacht.

    »Du haust ab und tauchst auf, wie’s dir passt, und stellst dann noch Forderungen! Du kannst mich mal!« Beinahe hätte Nora ihr den dreckigen Feudel vor die Füße geschmissen, aber sie kriegt doch noch die Kurve und pfeffert den Lappen in den Putzeimer. »Und du auch!« Es spritzt, den größten Schwall Dreckwasser kriegt Keath ab, dem Noras Zorn gleichermaßen gilt. »Im Abhauen seid ihr beide groß!«
    »Hab ich was verpasst?«, fragt Keath perplex.
    »Ja, du hast leider nicht mehr mitgekriegt, wie uns die Pitbull-Glatzen über die Reeperbahn gejagt haben!«, brüllt Nora.
    »Ich hab doch gesagt, dass ich zur Bank muss …«, sagt Keath empört.
    »Alder, das is jetzt nicht dein Ernst?«, sagt Mehmet. Er kommt sich vor, als würde er einem absurden Theater beiwohnen.
    »Mann, mein sauer verdientes Schwarzgeld der letzten drei Jahre war in der Plastiktüte …«
    »Und? Deshalb lässt man doch nicht seine Freunde im Stich!« Mehmet hat plötzlich das Gefühl, Keath nicht mehr zu kennen. Vielleicht hat er ihn nie gekannt?
    »Ich will jetzt nicht rumposaunen, wie viel es war. Aber heute Nacht hätte es mir mein beknackter Pseudocousin beinah geklaut. Nein, ich hab nicht vorgehabt, es den Glatzen für Hundefutter zu überlassen …«
    »Und das hältst du für einen guten Grund …«, fällt ihm Nora fassungslos ins Wort.
    »Genau das tu ich!«, unterbricht sie Keath.
    Selbst Maika sagt dazu nichts mehr. Ein unwirkliches Gefühl macht sich breit.
    Keath schaut in die Runde. »Okay, noch mal von vorne. Ich hab euch gesagt, dass ich zur Bank muss. Du …«, an Nora gerichtet,
»hast gesagt, dass du nach Hause musst, Elvis versenden. Dali und ich machen ’ne kleine Elvis-Tanzeinlage, in dem Moment siehst du die Pitbull-Typen, ich seh Orhan, geb ihm ein Zeichen und sprinte los …«
    Nora haut sich die Hand gegen die Stirn. »Was? Moment mal, du hast … ?« Sie kann nicht mehr weiterreden, denn Keath hat ihren Arm gepackt.
    »Was ist das?« Er starrt die blauen Flecken über ihrem Ellenbogen an. »Waren die das?« Seine Stimme überschlägt sich. Ungläubige Verzweiflung steht in seinen Augen. »Orhan hat Stein und Bein geschworen, er hätte euch nicht aus den Augen gelassen und die hätten euch nicht angefasst!«
    »Haben sie auch nicht. Wann hast du mit Orhan gesprochen?«, fragt Nora völlig durcheinander.
    »Vorhin! Gleich nach der Bank.«
    »Lass meinen Arm los, Keath.« Mittlerweile stehen alle um sie herum und starren auf die Flecken. Nora befürchtet schon, dass sie den anderen Ärmel auch noch hochrollen.
    Die unwirkliche Stimmung weicht einer bedrückten.
    Maika räuspert ihren Frosch im Hals heraus und sagt: »Die Bar ist immer noch dreckig, aber ich geb ’ne Runde Wasser in sauberen Gläsern aus.«
    Sie gehen zur Bar.
    »Was sind das für blaue Flecken?«, fragt Keath heiser. »Und sag jetzt bloß nicht, du wärst die Treppe runtergefallen.«
    »Das war dieser Depp, der beknackte Nachhilfeschüler, Michael Schuhmacher. Schnee von gestern.«
    Ein Blick in Keaths Gesicht und jeder kann sehen, was er in Großbuchstaben und mit Ausrufezeichen denkt: DEN MACH ICH FERTIG!

    »Überlass ihn mir«, sagt Dali.
    Keath, Mehmet und Maika gleichzeitig: »Nein.«
    Alle sehen sich an. Einigkeit, ein seit Tagen schwer vermisster Zustand.
    »O doch. Und ich sag euch auch, warum hier keine Männerehrensache angesagt ist.« Dali erklärt: »Die Lewandowskalingerin ist leider korrupt. Uns macht das nichts aus, weil wir sie kennen und diese und andere Eigenschaften an ihr schätzen gelernt haben …«
    »Irgendwann verlange ich, dass du ’ne Rede auf mich hältst.« Maika schüttelt den Kopf.
    »Der spinnt doch«, sagt Nora.
    Dali fährt fort: »Mag sein, dass die Wurzeln ihrer kriminellen Neigungen in ihrer polnischen Herkunft liegen …«
    »Der spinnt doch total!«
    »… möglich ist aber auch, dass die hiesige Konsumgesellschaft das arme Kind aus dem Osten verführt hat. Auf jeden Fall dreht sie krumme Dinger, und das wissen zu viele, als dass man einem labilen und rachsüchtigen Denunzianten eine aufs Maul schlagen sollte, womöglich mit den Worten: Finger weg von der Lewandowskalingerin, du Sau, oder du bist tot.«
    »Willst du ihm mit den Worten aufs Maul schlagen: Deine Frisur passt mir nicht?« Maika versteht den Sinn einer solchen Aktion nicht.

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