Leben bis zum Anschlag
Lächeln hinzukriegen. »Kriegen Sie meine Mutter dazu, dass sie einen Entzug macht, dann mach ich einen Termin mit Ihnen.«
»Abgemacht«, sagt Herr Ewald.
»Tschüs.«
Maika stürmt die letzte Treppe hinunter. Risikogruppe, dieses Arschloch! Jahrelang haben sie eine notdürftig zusammengeflickte Alkoholikerin zu ihrer kleinen Tochter nach Hause geschickt, ohne zu helfen. Mit diesem Scheiß will der Sozialfuzzi sie nur mürbemachen und ihr Zugeständnisse entlocken. Wenn er herausfindet, dass ihr Job darin besteht, dass sie in einem KiezClub putzt und an der Bar jobbt, dann lässt der sie nicht in Ruhe. Sie muss sich umgehend an der Schule anmelden.
In keinem Fight Club könnte die Stimmung aggressiver sein als an diesem Nachmittag im SOUND CLUB. Niemand lächelt. Kein freitäglicher Jailhouse Rock, überhaupt keine Musik. Keath und Maika sind noch nicht da. Und Dalis Versuch, mit Putzmusik die Motivation und Stimmung zu steigern, scheitert daran, dass Mehmet den Stecker wieder aus der Steckdose fetzt.
»Steck ihn wieder ein.« Nora hat eine Hand am Schrubber, die andere in die Seite gestemmt und kneift die Augen zusammen. Ihr ist bewusst, dass sie die klassische Pose der keifenden Putzfrau eingenommen hat.
Vor drei Tagen hätte Mehmet über diesen Anblick gegrinst.
Die ganze Welt hat damals noch freundlicher für ihn ausgesehen. Sexy hätte er sie gefunden und gegrübelt, wieso sie, wenn alle anderen halb nackt rumlaufen, ihre alte rutschende Jeans und ein langärmliges Hemd anhat. Er hätte seine Phantasie strapaziert, wie sie wohl in knappen Shorts aussieht.
»Oder was?«, haut er raus. »Machst du sonst ’n Zwergenaufstand?«
»Nicht zu glauben, dass Orhan dein Onkel ist, Arschloch.«
»Was soll ’n das wieder heißen?«
»Wenn man mit dir reden könnte, würde ich’s dir sagen.«
»Du sollst nicht quatschen, sondern arbeiten«, sagt Mehmet kalt.
»Ohne Musik putz ich nicht«, sagt Nora.
»Zisch ab. Ist keiner hier, der dich vermissen wird.«
Da platzt Dali der Kragen. »Alter, wenn Nora geht, was ich sofort verstehen würde, bin ich auch weg.« Mehmet geht ihm brutal auf die Nerven. »Uns jagen die Pitbull-Glatzen mit ihren Killerkötern über die Reeperbahn. Keath haut ab und lässt uns hängen. Und du versaust mit Macht den Rest der Stimmung. Du bist nicht allein auf der Welt.«
»Sag das noch mal.«
Maika hat beim Reinkommen nicht alles mitgekriegt, sie pfeffert ihr Handtäschchen auf die Bühne und streift die Nietensandalen mit Absatz ab. Irgendwo hinter dem Tresen müssen ihre Flip-Flops herumliegen.
»Du bist nicht allein?«, wiederholt Dali.
»Bullshit. Jeder ist allein.« Maika verdreht genervt die Augen. »Was war mit den Pitbull-Typen?«
»Moment, Moment, wir sind ja noch nicht mal im Universum allein …«, faselt Dali los.
»Dali, hallo! Lass mal die Außerirdischen außen vor und erzähl einfach, was los war«, fährt Nora dazwischen.
»Wenn Maika behauptet, jeder ist allein, heißt das für mich, dass sie sich allein fühlt!«, sagt Dali empört. »Davor kann ich nicht einfach die Augen verschließen. Sie ist meine Agentin!«
Am Schaltpult des Soundsystems schraubt Mehmet herum, damit er ja jedes Wort mitkriegt. Raus kriegt er keins.
»Du Bayer«, sagt Nora, »gerade heut fühlen sich aber alle so. Erzähl von unsrer wunderbaren Errettung von tödlicher Gefahr durch den edlen Samurai und Großmeister Orhan Gündür.«
»Das geht aber nicht, ohne den schmählichen Verrat ebenfalls zu erwähnen«, wendet Dali ein.
»Ja, aber koch’s nicht so dermaßen hoch.« Nora zuckt mit den Achseln und denkt, Maika sieht genauso fertig aus wie ich. Es ist an der Zeit, dass wir uns ausquatschen.
Dali erzählt, Maika fragt nach, Nora ergänzt.
»Die haben euch aufgelauert?«
»Auf jeden Fall hatten die uns im Blick, bevor ich sie gesehen habe«, sagt Nora.
»Widerlich, ’ne Show mit Kampfhunden zwischen den Touris abzuziehen. Und dann sind die euch echt zwischen den ganzen Leuten die halbe Reeperbahn lang nachgerannt?«
Dali nickt. »Bis Hamburger Berg, Ecke Seiler. Da ist Mehmets Onkel aufgetaucht und hat ihnen die Sparringspartnerschaft im Ring angeboten.«
»Weg waren sie«, sagt Nora.
»Fast so schnell wie Keath.«
»Das versteh ich gar nicht.« Maika sieht aus, als ob sie Zweifel an Dalis Worten hätte. »Hat er nix gesagt?«
»Doch. Scheiße hat er gebrüllt und rumgefuchtelt hat er. Aber
eigentlich war das auch nicht der Moment für Worte. Er hätte einfach bei
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