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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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schwarze Riese?« Laut und genüsslich schlürft er den Tee und blickt durch das Fenster zur St.-Nicolai-Kirche hinüber. »Mach dir nichts draus, Mehmet. Jeder weiß, dass man mit künftigen Geschäftspartnerinnen besser keine körpereigenen Säfte austauscht.«
    »Halt die Klappe, Hakan.« Mehmets Stimme ist sehr leise, fast nicht zu hören.
    »Wieso? Du hast doch erzählt, dass ihr zusammen den Club übernehmen wollt.« Hakans Gelächter klingt nach Schafblöken.
    Mehmet hört es wie aus weiter Ferne, so laut rauscht das Blut in seinen Ohren.
     
    TAG DER OFFENEN TÜR steht auf dem Portal. Aber die Tür ist zu, und als Keath am Griff zieht, stellt er fest, dass sie sehr schwer aufgeht. Die Fassade darüber ziert der Namenszug ON STAGE DANCING AND DRAMA SCHOOL. Keaths Herz klopft schneller als die Trommelschläge, die aus dem großen Übungsraum neben der Eingangshalle dringen. Kein Schwein weiß, dass er hier ist.

    »Kann ich helfen? Haben Sie Fragen?«, fragt ihn eine Frau aus einer Art Pförtnerloge heraus.
    »Ja. Wo ist der Briefkasten?« Keath hält einen Briefumschlag hoch. Er hätte nicht gefragt, wenn sie nicht so freundlich gelächelt hätte.
    »Ist das Ihre Bestätigung für die Aufnahmeprüfung?« Auf Keaths Nicken hin sagt sie: »Können Sie mir geben. Haben Sie den Einzahlungsbeleg für die Prüfungsgebühr beigelegt?«
    Keath nickt und die Frau drückt einen Eingangsstempel auf den Umschlag. »Viel Glück. Heute ist die letzte Möglichkeit zur Anmeldung.«
    So. Er hat’s gemacht. Ewig hat er überlegt und gestern auf den letzten Drücker 120 Euro für die Prüfungsgebühr eingezahlt. Niemand weiß, dass es sein größter Wunsch ist, hier zu studieren. Wenn er die Prüfung schafft, dann wird er lernen, üben, schuften, und kein Training und keine Kritik wären zu hart für ihn. Wenn er sie nicht schafft …
    Im geschmeidigen Pantherschritt durchquert Keath die Halle. Es ist der Gang des schwarzen, einsamen Leinwandhelden. Kein Mensch geht so, auch Keath normalerweise nicht. Bloß wenn er denkt: Bin ich cool genug?, dann kriegt er zwangsläufig diesen Gang, weil er nie cool ist, wenn er es unbedingt sein will.
    Wenn er die Prüfung nicht schafft, weiß außer ihm niemand, dass er es versucht hat. Wenigstens etwas.
    In dem dreigeschossigen Gebäude gibt es Räume für Tanz-, Schauspiel- und Gesangsklassen. Keath sieht sich in jedem um, in manchen wird gerade geübt. Wieder in der Halle angelangt, steht für ihn fest, dass selbst die blöden Glatzen mehr Talente haben als er. Es verschont ihn also nur vor großen Peinlichkeiten, wenn er die Aufnahmeprüfung nicht schafft.

    Regelrecht angesaugt von lauter Trommelmusik findet sich Keath in dem Übungsraum neben der Halle wieder. Tänzerinnen und Tänzer dehnen sich und strecken sich, ein paar tanzen.
    »Bist du der Drummer für die Performance nachher?«, ruft ihm einer, der sich zur Musik abzappelt, zu.
    »Nein, ich bin nicht der Trommler!«, antwortet Keath freundlich.
    »Was willst du dann hier? Zukucken?« Das klingt nicht wirklich einladend.
    »Nee.« Keath grinst. »Tanzen.«
    Aus dem Stand legt er zu den Beats ein Solo hin, das in einer wilden Drehung endet. Zur Krönung fliegt ihm sein Rucksack vom Rücken und schlägt in exakt dem Moment auf dem Boden auf, als die Musik abbricht. Wenn Bewegung und Rhythmus beim Tanzen im richtigen Augenblick aufeinandertreffen, ist Keath glücklich.
    Mit leisem Kichern nimmt er seinen Rucksack auf und tritt den Rückzug an.
    Wenn er die Aufnahmeprüfung nicht schafft, dann macht er so weiter wie bisher oder probiert was anderes, und in einer Stunde ist er mit Nora zum Baden verabredet.
     
    »Du erwähnst Nora nie wieder.«
    »Und du knutschst nie wieder mit Jennifer.«
    Zwischen Mehmets und Hakans Nase hätte keine Ameise Platz.
    »Hallo, ihr Streithähne, niemand prügelt sich in meinem Laden außer mir.« Der Muskeltyp am Dönerspieß wetzt das Messer und bringt die Einschränkung damit überzeugend rüber.
    Die beiden beachten ihn nicht.

    »Hab ich’s mir doch gedacht, dass du schon die ganze Zeit wegen Jennifer rumstänkerst.«
    Also ist Mehmet nicht so hirnkrank, dass er sich nicht mehr an sie erinnern kann. »Sicher, klar, nur deshalb«, höhnt Hakan. »Nicht etwa, weil mich die realistische Einschätzung deiner Fähigkeiten provoziert.« Hakan äfft Mehmet nach: »Ich bin Musiker. Ich bin DJ. Ich bin Tontechniker. Ich bin zukünftiger Clubbesitzer. Nein, stimmt leider nicht. Du bist ’n

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