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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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Leif lächelt im Halbschlaf, »wie schön du zur Musik von DJ-Treble-Prospect getanzt hast, Schnecke.«
    »Du bist süß.« Maika lächelt.
    Leif hat noch nie ihren Tanzstil gelobt. Aber an den Blicken der anderen hat sie gestern gesehen, dass Keaths Putz-Tanz-Unterweisungen allmählich Früchte tragen. Schade, dass sie durch den ständigen Zoff in letzter Zeit gar nicht mehr zum Putztanzen
gekommen sind. Das muss sich wieder ändern. Alles muss anders werden. Und deshalb muss sie jetzt auch los.
    »Nein, du bist süß«, murmelt Leif. »Und hol mir bitte, bitte noch mal’n doppelten Espresso mit zwei Löffel Zucker, Sugar. Du hast mir nämlich meinen weggetrunken, Honey.«
    »Oh, wie du Süßholz raspeln kannst! Ich mag das. Das gefällt mir wirklich richtig gut.«
    Die Rückenansicht der nackten Maika, wie sie durch seinen riesigen Raum schlendert, gefällt Leif noch mehr. Das weckt in ihm ein kleines Glücksgefühl und großen Besitzerstolz.
    »Ich weiß, dass du mir nachkuckst!«, ruft Maika, ohne sich umzudrehen.
    »Ach, Schnecke, du bist so schön«, seufzt Leif.
    »Was ist denn mit dir los?« Zwei Komplimente, kurz hintereinander von Leif glaubwürdig vorgetragen, stellen einen Ausnahmezustand dar. »Fühlst du dich nicht gut?«
    »Doch, aber mir ist gerade eben schmerzlich bewusst geworden, dass du nicht wegen mir hier bist, sondern wegen der schönen Aussicht und meiner genialen Kaffeemaschine.«
    Da ist was Wahres dran, aber Maika sagt leichthin über die Schulter: »Das ist ein Beispiel deines Bewusstseins vor zwölf Uhr, das ist nicht im Ansatz funktionsfähig. Vor zwölf entsprichst du mehr einer Flechte oder einem niederen Pilz als einem menschlichen Organismus.«
    Mit gespielter Empörung richtet sich Leif auf und starrt Maika vorwurfsvoll entgegen, die ihm im lasziven Schaukelschritt, das Kaffeetablett in der Rechten, entgegengeschlendert kommt.
    Kurz vor seinem Bett, das in der Mitte des Raums steht, bleibt Maika stehen und lässt ihren Blick über das Hafenpanorama schweifen.

    »Dieser Blick«, säuselt sie, »dieser unbezahlbare Blick! Ach, ich liebe ihn mehr als alles auf der Welt.«
    »Bitch! Herzloses Stück!«
    Leif will das Kissen nach ihr werfen, aber Maika warnt: »Ich steh auf deinem teuren Kelim! Vorsicht, der Kaffee!«
    Sie albert noch eine Weile mit dem gar nicht mehr so schlaftrunkenen Leif herum, und um 11:30 macht sie sich auf die Socken, zu Fuß und hoch motiviert.
    Maika will sich die Anmeldeunterlagen für die zehnte Klasse der Sekundarstufe an der Ganztagsschule von St. Pauli besorgen. Sie startet mit federndem Schritt. Die Schule ist maximal zwanzig Minuten von Leifs Loft in der Speicherstadt entfernt. Als sie die Treppe von der Hafenstraße Richtung Balduinstraße hochsteigt, vorbei an den chillenden Leuten, wird sie immer langsamer. Vor fast einem Jahr hat sie die Schultür mit einem definitiven Nie wieder! hinter sich zufallen lassen. Und was ist jetzt? Jetzt sackt ihr Selbstbewusstsein in depressive Tiefen ab, denn es ist mehr als ungewiss, ob sie überhaupt aufgenommen wird. Und ob sie tatsächlich die mittlere Reife machen will oder nur denkt, dass es den Behörden gegenüber schlau wäre, ist auch noch nicht raus.
    Maika steht vor dem Schulgebäude und holt tief Luft. Dann drückt sie gegen die Eingangstür. Nichts. Sie stemmt sich dagegen. Es tut sich nichts. Maika wirft sich gegen die Tür. Sie öffnet sich nicht. Es dauert ein paar Sekunden, bis sie die verschlossene Schultür nicht mehr persönlich nimmt, und erst da wird ihr klar, dass die Schule samstags immer geschlossen ist.
     
    In den engen Gassen der Lüneburger Altstadt mit ihrer Backsteinromantik kommt Mehmet richtig schlecht drauf. Er hat
Kopfschmerzen und dröhnend läuten die Kirchenglocken. »Wie spät?«, fragt er Hakan.
    »Eins, du Penner.«
    »Was is’n los mit dir?«, fragt Mehmet verkatert und weicht fotografierenden Touristen aus. »Erst nervst du, dass wir spazieren gehen sollen, und dann lässt du deine schlechte Laune an mir aus!«
    »Wer hat denn die Stimmung auf meiner Party versaut?«, fragt Hakan wütend.
    »Ich nicht. Ich hab gepennt«, gähnt Mehmet. Er ist sich keiner Schuld bewusst.
    »Und davor? Was war davor?«
    »Davor wolltet ihr unbedingt schlechte Musik hören und ich bin vor Schreck eingeschlafen.«
    »Deine CD hat keinem gefallen, deshalb bist du eingeschlafen. Du warst beleidigt«, widerspricht Hakan erbost.
    »Quatsch. Ich vertrag kein Bier, das weißt du ganz genau, und das

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