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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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im Kunstraum und wir haben über eine grafische Arbeit von ihm gesprochen.« Zu Dali sagt sie: »Als die Tür zum Kunstraum auf war, habe ich gehört, wie du Michael Schuhmacher gefragt hast: ›Ist das deiner?‹«

    »Sein Rucksack ist gegen die Tür geschlittert. Ich hab ihn aufgehoben und ihn gefragt, ob es seiner ist.«
    »Er hat laut genug, dass ich es hören konnte, gesagt, dass es dich einen feuchten Furz anginge.«
    »Kennt ihr euch?«
    »Ich weiß, dass er in die Parallelklasse geht«, antwortet Dali dem Schulleiter. »Mehr auch nicht. Ich bin ja noch nicht so lange auf der Schule.«
    Das weiß auch der Schulleiter. Nicht glauben kann er, dass es für den Ausbruch an Gewalt, dessen Zeuge er wurde, keinen Anlass gegeben haben soll. Aber aus Dali ist nicht herauszukriegen, aus welchem Grund Schuhmacher ihn so attackiert hat. Das wird protokolliert und Dalis Eltern zugestellt.
     
    Sandro am Steuer seines BMW 3ers, Ron auf dem Beifahrersitz und Dennis auf dem Rücksitz machen sich unsichtbar. Sie versuchen es zumindest. Unnötigerweise, denn Nora und Mehmet sind mit anderem beschäftigt. Zum zweiten Mal hört Mehmet Noras merkwürdigen Gesang ab, und ihm kommt so vieles gleichzeitig in den Sinn, dass er nichts von dem, was sich um ihn herum abspielt, mitkriegt. Und Nora versucht in seinem Gesichtsausdruck zu lesen, ob ihr tatsächlich etwas Besonderes gelungen ist. Mit jedem ihrer Schritte überschreitet auch Rons Machtposition in der Dreiergang den Zenit.
    »So, so, mein Alder«, murmelt Sandro, »nicht mit dem Nigger, sondern mit dem Türken treibt sich die Polin rum.« Er liegt tief in seinem Leder-Schalen-Rennsitz und sieht Ron traurig an.
    Mann, ist der doof, denkt Ron verzweifelt.
    »Deine … Recherchen«, Kunstpause, »sind nicht viel wert, mein Alder.«

    »Sollen wir d ie beiden jetzt zusammenschlagen oder willst du lieber irgendwie anders deinen …«, Kunstpause, »maximalen Druck erzeugen?«, will Dennis vom Rücksitz aus wissen.
    Ron spürt ein Knie in seinem Rücken.
    Sandro lässt sein unangenehmes Kichern hören.
    Beide wissen sehr gut, dass Mehmet tabu ist. Es sei denn, man will aus reiner Blödheit echte Schwierigkeiten provozieren.
    »Am besten du erledigst einfach im Alleingang einen Club-Jobber nach dem andern und zum Nachtisch dann den bösen Kickbox-Onkel noch obendrauf«, schlägt Dennis vor.
    Jetzt bohren sich zwei spitze Knie in Rons Rücken. Da hält er es nicht mehr länger im Auto aus.
    Er steigt aus und Dennis nimmt seinen Platz ein.
    Arschlöcher, denkt Ron, aber er weiß auch, dass sie recht haben. Seine Strategie ist richtig, aber er hat die falschen Schlüsse aus seinen Beobachtungen gezogen.
    »Ey! Hallo! Entschuldigung!«
    Ron dreht sich nicht um. Es ist ein Unterton in der Stimme hinter ihm, der ihm nicht gefällt, also ignoriert er die Rufe, die vermutlich ihm gelten, weil sonst niemand da ist.
    Hinter ihm fängt einer an zu rennen. »Hallo! Moment …«
    Ron ballt die Fäuste und dreht sich um. Der Typ erinnert nur noch schwach an den frisch geföhnten Kerl von heute Morgen. Verprügelt, fertig mit den Nerven und wie auf Drogen ist er jetzt.
    »Du bist doch auch hinter Nora her?«
    Ron fixiert den Kerl aus Augenschlitzen und weiß, das ist eine Falle. Also hält er die Klappe.
    »Ich hab dich heute Morgen gesehen«, sagt Michael Schuhmacher.

    Das bewegungslose Gesicht des Glatzkopfs drückt nur Verachtung aus, und Michael tut sich auf einmal unendlich leid. Sein Augenlid zuckt, eine Mischung von Traurigkeit und Müdigkeit treibt ihm Tränen in die Augen. Schnell dreht er sich um und geht weg.

Track #13
13 Parallelwelten
    Wasserdampf vernebelt die Fensterscheibe. Von Maika und Frank völlig unbeachtet, kocht das Kaffeewasser vor sich hin. Mit hochgezogenen Knien, über die sie Franks T-Shirt gezogen hat, sitzt Maika am Küchentisch. Er trägt eins von ihren. Die beiden sitzen vis-à-vis, studieren ihre Gesichtszüge wie Landkarten fremder Erdteile und zeichnen mit ihren Zeigefingern Linien nach.
    Versunken nagen sie an Reiswaffeln mit Nutella.
    »Meine Waffel quietscht beim Reinbeißen«, sagt Frank leise.
    Maika nickt. Ihre quietscht auch.
    »Wie beim Fensterputzen«, präzisiert Frank.
    Das veranlasst Maika, ihre Aufmerksamkeit dem beschlagenen Fenster zuzuwenden, und sie stellt den Herd ab.
    Ganz hinten im Küchenschrank hat sie gestern Morgen ein uraltes Glas Nescafé gefunden und ist somit imstande, zusammen mit den Reiswaffeln ein vollständiges Frühstück

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