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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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anzubieten.
    Bloß der Deckel sitzt fest. Maika springen die Augäpfel fast heraus, ehe sie das Glas an Frank weiterreicht. Selten genug, dass ein starker Kerl im Haus ist. Genau genommen ist es das erste Mal.

    Auch er kann nichts ausrichten, aber schließlich kriegen sie den Deckel mit dem Dosenöffner kaputt. Das Kaffeepulver ist über die Zeit hammerhart geworden, und Maika kippt die obenauf liegenden Plastiksplitter in den Abfall. Mit dem Löffel kriegt sie das ehemalige Pulver nicht aus dem Glas, aber mit dem Messer kann sie ein paar Brocken herauslösen. Die kocht sie mit Zucker und H-Milch auf und siebt das Ergebnis in zwei Tassen.
    »Hm, schmeckt gut«, sagt Frank. »Dir auch?«
    Maika nickt. Zur Sprache hat sie noch nicht zurückgefunden, dafür jagt sie ihren Gedanken nach, bis es an der Tür klingelt.
    Das friert die beiden unmittelbar zum Standbild ein. Sie halten die Luft an. Wenn jemand sie unbedingt sprechen will, muss er oder sie die Tür oder die Wand eintreten. Da draußen ist eine Welt, von der sie nichts wissen wollen. Die Rollos sind unten. Auf der Haut ist wenig Stoff, aber viele Küsse. Sie haben die Nächte zum Tag gemacht und die Tage zu Nächten.
    Maika müsste auf dem Handy nachsehen, wie spät es ist.
    Nach einer Weile schlürfen sie wieder leise ihr Kaffeegetränk und rücken die Stühle zusammen. Frank zieht Maikas Bein über seins, und sie beginnen wieder, sich ineinander zu verflechten. Dauernd tun sie das, und ihre Augen lächeln sich an.
    Dann kriegt Maika eine SMS. Jemand will Mao in der Bernhard-Nocht-Straße gesehen haben.
    Das ist der erste Hinweis auf ihre Plakataktion hin: Mao gesucht. Maika springt in ihre Kleider.
    »Ich komm mit«, sagt Frank. Aber dann fällt sein Blick auf die Uhr und es trifft ihn der Schlag. »Oh, geht gar nicht. Ich muss los.«
    Er hat heute Abend mit der Band einen Auftritt in Zürich.

    Abschiedsküsse. Bis bald, sagen sie nicht. Sie haben nicht einmal die Handynummern ausgetauscht.
    »Zieh die Tür hinter dir zu«, sagt Maika.
     
    Sie rennt los und sucht, lockt, raschelt mit dem Trockenfutter und sieht in allen Ecken nach. »Mao!« Nichts.
    »Frank!« Der ist auch weg. Zieh die Tür hinter dirzu. Was für eine unfassbare Idiotin sie ist. Zieh die Tür hinter dir zu. Wie blöd kann man sein …
    Maika schnieft, fährt sich mit der Hand über die Augen. Die Tränen spritzen ihr nur so aus den Augen.
    Hinter den Mülltonnen, Fahrradabstellplätzen, Büschen ist kein Mao. Und zu ihrer neuen großen Liebe hat sie gesagt: Zieh die Tür hinter dir zu. Mehr nicht.
    »Armes Kind, was ist denn mit dir?« Die kleine alte Frau sieht aus, als würde sie auch gleich weinen. Ihre Augen sind ganz rot und ihre Hände zittern entrüstet.
    »Mein Kater ist weg«, schluchzt Maika.
    »Aber das ist ja schrecklich«, sagt die alte Frau leise. »Wie sieht er denn aus?«
    Ein paar Fotokopien mit Bild hat Maika noch in ihrer Tasche.
    Die alte Frau studiert es genau und schüttelt den Kopf. »Ich hab ihn leider nicht gesehen, armes Kindchen.«
    »Meine Mutter und Frank sind auch weg.«
    »Ach, die kommen wieder«, tröstet die alte Frau, als wär sie sich da ganz sicher.
    Seltsamerweise hilft das Maika über den größten Kummer weg. Und da sie eh schon deprimiert ist, macht sie einen zweiten Anlauf und holt die Anmeldeunterlagen für die zehnte Klasse der Sekundarstufe an der Ganztagsschule ab.

    »Maika Merten, ich erinnere mich.« Langer Blick. Die Schulleiterin erinnert sich an ein stark geschminktes, gestyltes, intelligentes und faules Geschöpf. Das Mädchen vor ihr ist ungeschminkt, verweint und trägt eine schlichte schwarze Leinenhose mit einem schwarzen T-Shirt.
    »Ich kann sehen, was Sie denken, Frau Weißenburger.«
    Die Schulleiterin lächelt und schüttelt den Kopf. »Nein, das kannst du nicht. Was hat dich bewogen, einen mittleren Reifeabschluss machen zu wollen?«
    »Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass Sprache meine stärkste Seite ist?«, fragt Maika mit einer sanften Stimme.
    O ja, quatschen, darin war sie ungeschlagen, daran erinnert Frau Weißenburger sich sehr gut. Sie nickt.
    »Ich will Logopädin werden. Meine Mutter macht einen Entzug. Der Stress zu Hause wird überschaubarer«, sagt Maika.
    In Frau Weißenburgers Blick kann sie lesen, dass sie die Zusage so gut wie in der Tasche hat. Maika zieht die Arbeitsbescheinigung von Leif Borg aus der Tasche. »Damit hab ich im letzten Jahr mein Geld verdient.«
    Nach einem kurzen Blick. »Es wäre

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