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Leben bis zum Anschlag

Leben bis zum Anschlag

Titel: Leben bis zum Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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nur schlafend, vermutet Maika.
    Das andere Krankenhausbett ist leer. Irgendwas macht komische Geräusche, entweder der Überwachungsmonitor oder der Tropf oder die Infusion oder wie man das nennt.
    »Da hängst du also wieder an der Flasche.«
    Ein plötzliches Ekelgefühl lässt Maika schaudern.
    »Seltsam, wie fremd du mir geworden bist.«
    Unmöglich, sich in dieser Kammer des Schreckens hinzusetzen. Anfassen mag sie ihre Mutter erst recht nicht.
    »Schlaf ruhig, ich bleib nicht lang. Ich kann nur hoffen, du träumst was Angenehmes in den vielen Stunden … was sage ich … Jahren, die du verpennst oder im Vollrausch hinter dich bri ngst.«
    Tränen brennen Maika in den Augen und sie fragt sich : Warum
bin ich hergekommen? »Keine Ahnung, wieso ich hier bin«, sagt sie laut. »Mao ist weg, wegen dir. Ich hab ihn überall gesucht.«
    Anjas rechtes Lid flattert stärker, öffnet sich, und ein weißer Augapfel blitzt auf.
    »Du bist ein echtes Gespenst, ein hochprozentiger Geist, weißt du das? Andere Mütter sagen zu ihren Kindern: ›Du bist mein Augapfel‹, und du versuchst, mir mit deinem Angst einzujagen. Nicht nötig, Anja, ich hab schon die nackte Panik, und das nur, weil ich einen netten Kerl kennengelernt hab.«
    Anjas Atem geht schneller.
    Kann man hier nicht lüften? Der Fenstergriff bewegt sich keinen Millimeter, Maika gibt auf.
    »Penn du ruhig weiter. Wenn du jetzt aufwachst, weil du dich plötzlich für mich interessierst, dann raste ich total aus. So viel Aufmerksamkeit wär zu viel für mich, das kannst du mir glauben. Vernachlässigte Kinder sind das nicht gewöhnt. Die kommen emotional durcheinander, wenn die eigene Mutter sie mal ansieht.«
    Sie erzählt von ihrer Angst, dass ihr jemand so nah kommt, dass er erkennen kann, wie klein sie ist, eine Mikrobe, ein Witz, und sie dann natürlich sofort wieder fallen lässt. Wütend kratzt sich Maika die Kruste von der Seele, die sich durch die alkoholvernebelte Gleichgültigkeit ihrer Mutter abgelagert hat.
    Irgendwas davon dringt zu Anja durch und sie schlägt entsetzt die Augen auf. Aber da ist Maika fertig, hat das Gefühl zu verbluten und sagt an der Tür: »Mach einen Entzug oder du siehst mich nie wieder.«
     
    Keath hat unterwegs und im Jugendhaus jeden nach einer billigen Einzimmerwohnung gefragt, der altersmäßig eine halbwegs
kompetente Auskunft dazu geben könnte. Erfahren hat er dabei, was ihm schon vorher klar war. Schwierig, schwierig, alles sehr teuer geworden im Stadtteil, unmöglich. Woanders will er nicht hin, zu Hause regiert der Schwachsinn, und er will und kann nicht mehr warten. Er braucht einen Platz für Nora und für sich. Es kann doch nicht angehen, dass er schon in alle Hecken stiert, ob sie für einen Rückzug zu zweit den nötigen Sichtschutz bieten!
    Nora geht es nicht anders. »Was machen wir nach dem Putzen?« , fragt sie leise. »Gestern waren wir im Hilton, können wir heute nicht mal auf die Jacht?«
    »Könnten wir, bloß liegt sie gerade vor Trinidad vor Anker.«
    »Schade, das schaffen wir zeitlich nicht, Einlass ist heute schon um acht. Wir haben nur anderthalb Stunden.«
    »Ich mach blau, Honey, lass uns was Verrücktes machen und nach Lappland fliegen. Ich wollte d i r doch schon i mmer …«, bei jedem i kiekst Keaths Stimme, »den Club in Rovaniem i zeigen.«
    »O ja! Dieser Club mit dem unaussprechlichen finnischen Namen«, sagt Nora begeistert. »Wie heißt der noch mal?«
    »Du Schlange«, schnurrt Keath. »Ich geb dir einen Tavastia-Klubi-Speciale aus, Sumpfbeeren in hochprozentiger Elchmilch. Und dann feiern wir Mittsommernacht im coolen Kaksikymmentäkaksiyätteljöäkylainen-Klubi«, sagt Keath recht flüssig.
    Nora antwortet nicht.
    »Ich freu mich auf die Mücken und auf dich.« Keath unterbricht die Handyverbindung. Noras Gelächter schallt schon durch die überdachte Toreinfahrt. Sie steht vorm Club, biegt sich vor Lachen und sieht schön und glücklich aus.

    Als sie ihn sieht, verschwindet sie im Getränkeschuppen.
    Keath folgt ihr und schließt die Tür von innen ab. Hinten, wo das Hofkatzenlager ist, wartet Nora auf ihn.
    Ihre Lippen kitzeln an seinem Ohr, als sie flüstert: »Unser Raubtierkäfig hier hat auch was.«
    »Ja, einen geilen Kitzel der Gefahr, hm«, murmelt Keath.
    Und dann wecken sie zehn Minuten lang gegenseitig heftiges Verlangen, bis Nora mit weichen Knien, blitzenden Augen und gut durchblutet in den Club geht. Zum Putzen.
    Der Unterschied zwischen ihr und Maika könnte

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