Leben bis zum Anschlag
splittert, und er stürmt aus dem Hinterhof.
Eine Schrecksekunde lang wartet Keath auf eine Detonation, dann fällt sein Blick auf den zerdrückten Karton, etwas größer als
eine Zigarettenschachtel, mit der Aufschrift STINKY-PEST-Stinkbomben.
Drei zerbrochene Ampullen liegen daneben.
Der Gestank ist so übel, dass Keath die letzten Besucher umgehend umsonst in den Club lässt. Mit angehaltenem Atem holt er das Katzenstreu aus dem Getränkeschuppen, das Nora für die kleinen Kätzchen angeschafft hat, und kippt den ganzen Sack auf die höllisch stinkende Pfütze. Der Idiot hatte vor, die Ampullen im Club auszukippen!
Keath wird übel bei dem Gedanken, dass Nora die Aggressionen dieses feigen, erbärmlichen, widerlichen Schweins auf sich zieht, und er könnte sich ohrfeigen, weil er ihn nicht geohrfeigt hat.
Bleibt nur zu hoffen, dass der Chef nicht unerwartet aufkreuzt.
Leif ist weit davon entfernt. Er hängt unterm Sonnenschirm in der Strand Pauli -Strandbar auf einem Lounger ab und starrt auf die Elbe. Mit dem besten Kopfhörer, der auf dem Markt zu kriegen ist, hört er Demoscheiben ab und strickt das Programm der kommenden Monate zusammen. Dazu genießt er lange Schlucke seines Longdrinks. Man at work. So schön kann ein selbstgestalteter Arbeitsplatz aussehen. Leif ist zufrieden. Nur Maika fehlt zu seinem Glück. Er lächelt bei dem Gedanken an sie.
Eine beträchtliche Anzahl von Independent-Labels empfehlen Leif Gruppen, die auf ihrer Promotiontour unbedingt im SOUND CLUB auftreten wollen. Dazu kommen die zahllosen Bands, die ihm unaufgefordert Livemitschnitte ihrer Konzerte oder CDs zuschicken. Manch eine Perle ist dabei. Hinter einigen Musikern ist Leif selbst her. Er wirbt um sie, weil er sie unbedingt im Club haben will, und wenn, dann beharrlich.
Es riecht nach Dieselrauch, der aus einem Frachter quillt und Leif den Blick auf den Containerhafen versperrt. Die Elbe leuchtet wie eine Orange auf Alupapier. Orange ist die Farbe des Hafenlichts und silbern spiegelt die Elbe das untergehende Licht der Sonne. Der Rauch macht ein Gemälde daraus. Leif stößt auf, und sein leiser Rülpser rollt wie die Antwort auf die Frage daher, ob es dem Saxofon gelingt, aus dem Dschungel der Beats einen Weg hinauszufinden. Dem lauscht Leif im aktuellen Track nach, zum Farbenspiel und zu dem Geruch nach Ferne, zu den Verfolgungsjagden der Möwen in der sehr überzeugenden Hafenshow, und Leif fühlt sich high, obwohl er außer seinem Drink keine Stimulanzien intus hat.
Borg, das Schwein, chillt. Der faule Sack kann sich das finanziell leisten, er schöpft genug Kohle ab, um in provozierender Ruhe vor Rons Nase abzuhängen.
Darüber ist Rons Bier zu lauwarmer Pisse geworden! Scheiße!
Dreimal hat man ihn zu weiteren Getränkebestellungen aufgefordert, deshalb behält er das Glas in der schwitzigen Hand. Trinken kann man es nicht mehr, und die Freude über den Zehneuroschein und die halb volle Camel-Schachtel ist wie weggeblasen. Dafür fragt er sich, warum er sich einen abfreut, weil er zehn Euro und zehn Fluppen von einem Tisch geklaut hat. Wenn man doch mit zehn Euro und zehn Fluppen rein gar nichts anfangen kann! Man kann kaum was dafür kaufen. Eine Bahnfahrt, ein Brötchen, ein Bier und Kratzen im Hals. Das war’s.
Aber nicht mehr lange! Ron hat seine Taktik dahin gehend geändert, dass er sich erst Leif vornehmen wird und dann die Kleine. Er ist es leid, dass sie dauernd was anderes tut, als er denkt.
Also passt er sich ihrer Strategie an und macht auch etwas anderes, als er bis jetzt vorgehabt hat. Sein genialer Plan sieht so aus: Wenn er nicht den Chef zermürben kann, indem er ihm sein Personal rui niert, dann ruiniert er ihnen eben den Chef!
Davon hat das Personal dann auch nichts.
Strategie und Planung, Ron ist sich sicher, dass dies seine großen Begabungen sind.
…
Leifs Telefon vibriert.
»Borg.«
…
Ja, borg mir deinen Club, denkt Ron hämisch.
…
Frank Stein will Maikas Telefonnummer.
»Wieso?« Das klingt scharf, nicht nur kurz angebunden.
Frank labert, er habe dies und das an der Bar vergessen.
Leif gibt ihm Mehmets Nummer.
Mehmets Vater verzieht das Gesicht, als ihm der Gestank in die Nase steigt. »Keath, hol bitte Mehmet raus.«
Eine Bitte, der Keath nicht entsprechen kann, was er ihm zu erklären versucht. »Ich würde das gern für Sie tun, Herr Gündür, aber ich darf nicht rein, und Mehmet kann nicht raus. Er steht auf der Bühne.«
»Was macht er da?«
»Er
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