Leben bis zum Anschlag
größer nicht sein. »Was hast du? Bist du krank?« Maika wirkt leichenblass in ihren schwarzen Klamotten.
Sie schüttelt den Kopf. »Aber meine Mutter, ich komm gerade aus dem Krankenhaus.«
»Leg dich doch in der Garderobe hin«, schlägt Nora vor.
So elend hat Maika noch nie ausgesehen.
»Hab ich ihr auch gesagt, aber sie will nicht!«, ruft Mehmet von der Bühne her.
Dali wendet sich an Nora: »Und das, Lewandowskalingerin, das kann einem richtig Angst machen.«
Ein schiefes Grinsen von Maika ist die Antwort.
Keath hat vor dem verlassenen Katzenlager im Schuppen um Coolness gerungen, bis er akzeptieren musste, dass das zu lange dauert. Halbwegs abgekühlt ist er Nora hinterher und hat beim Reinkommen die letzten Sätze mitgekriegt. »Wie wär’s, wenn ich Eis für alle hole?«, schlägt er vor.
»Ihr seid alle so süß«, sagt Maika und ihre Oberlippe zittert.
»Aufhören! Nicht weinen! Was hast du denn? Maika, nein!« Alle schreien durcheinander.
Nur Keath dreht auf dem Absatz um. Hier helfen nur Kalorien
in ihrer süßesten und kältesten Form als medizinische Anwendung.
Und nach dem darauffolgenden, in jüngster Zeit so selten einträchtigen Eisschlabbern gibt es Putzmusik!
Endlich. Vorbei ist die Zeit des Feudelns in drückender Stille. Der Schrubberdance ist wieder angesagt, yeah!
Das Eis hat wirklich geholfen. Maika ist wieder fast die Alte und walzt Nora hinterher.
Der ganze Druck des Tages entlädt sich in reiner Blödelei.
Bis Dali von seiner Schlägerei mit Schuhmacher berichtet.
»Mann, Dali, das heißt, der fliegt!«, hofft Nora und spricht ihre Befürchtung aus: »Kriegst du jetzt Stress?«
Dali zuckt nur mit den Schultern. Vom Brief des Rektors an seine Eltern sagt er nichts.
Und Maika erzählt natürlich ebenso wenig von ihrer Nacht mit Frank Stein.
Montags gibt’s immer Wunschkonzert. DJ Krk, der üblicherweise auflegt, sagt Mehmet am Telefon, dass Leif ihn nicht gebucht habe. Das heißt, Mehmet alias DJ-Çay scheint über Nacht zum SOUND CLUB -DJ aufgestiegen zu sein. Oder Leif kümmert sich einfach um nichts mehr.
»Wo ist der Chef?«
»Keine Ahnung«, sagt Maika zu Mehmet. »Kuck nicht so! Ich hab echt andere Sorgen, als mir Gedanken darüber zu machen, wo Leif steckt.« Und dann erzählt sie den anderen endlich: »Mao ist weg.«
»Seit wann?«, fragt Nora.
»Donnerstag. Entweder die Sanitäter oder meine Mutter haben die Tür aufgelassen«, sagt Maika.
»Ich helf dir beim Suchen«, verspricht Nora. Die Erwähnung
von Maikas Mutter hat sie an ihre eigene erinnert und an Yolandas ungezählte Versuche, sie zu erreichen.
»Du musst sofort kommen!« Yolanda dreht zu Hause fast durch. Sie hat durch den Besuch ihres Mannes die Post vernachlässigt, und morgen kommt die Steuerprüfung. »Ich weiß nicht, was ich machen soll!«
»Tut mir leid, Leute. Ich muss heim.« Nora hat eigene Gründe, nach Hause zu flitzen. Sie muss sofort alle externen CD-Brenner und Festplatten mit Musikarchiven verschwinden lassen, bevor das Finanzamt den Arbeitsraum sichtet.
Blöd, sie wäre so gern noch eine Weile bei Keath am Einlass geblieben!
»Also, bis morgen.«
»Uuuuuaaaaaaaaaaaaaaaaaah!«
Track #14
14 Bombenfest
UA- Euphorie der besonderen Art.
Dienstags beim Underage-Club hat sich eine Feierstimmung etabliert, die leicht und leicht entfesselbar ist. Nicht bei allen natürlich, aber bei der Mehrheit. Und weil der Club rappelvoll ist, setzt sie sich durch. Nora vermutet, dass es an Keath liegt, weil er beim Einlass so charmant ist, und an Dali, der an der Bar mit dem Gratiswasser rumpütschert und nicht nur bei den Durstigen Kultstatus hat. Maika vermutet, dass die zeitliche Begrenzung der Grund ist; niemand fackelt lange rum, sondern feiert gleich los. Mehmet, der Heizer am Plattendeck, hält sich selber für die Ursache der superguten Stimmung.
Maika hätte sich im Leben nicht träumen lassen, dass sie so viel Spaß beim Abfeiern mit hauptsächlich Jüngeren hat.
Plötzlich reißt der Sound ab, und ein mächtiger, breiter, fetter Bass stampft los, peitscht auf die letzten Rumsteher ein und zwingt sie zum Tanzen. Mehmet spielt Noras geflüstertes, gekrächztes, gepresstes Lied.
Von Anfang bis Ende. Begeistertes Geschrei setzt ein.
»Hä? Krass. Was war ’n jetzt das?« Maika starrt Nora an. »Du?«
Das war laut und schrill genug, dass Nora plötzlich umstellt ist, und es hagelt Fragen: Du singst? Du schreibst Lieder? Machst du Musik mit Mehmet? Wieso singst du nicht
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