Leben bis zum Anschlag
macht, dass dreihundertfünfzig Leute nach seiner Musik tanzen. Mehmet rockt den Laden. Er ist der Deejay.« Keath verspricht, dass Mehmet ihn sofort anruft, wenn er fertig ist.
Alles andere wäre Mehmets Vater lieber, als zu wissen, dass sein Sohn von nichts anderem träumt als von diesem stinkenden,
dreckigen, vollgesprühten Club. Inschallah. Um die Ecke stiert ihn eine drauftapezierte Ratte an. »Eine Ratte«, sagt Herr Gündür laut.
»Was?«, fragt Keath.
»Da.«
»Oh, das ist echt gut.« Keath sieht das Paste-up zum ersten Mal.
Herr Gündür schüttelt resigniert den Kopf. Was die Jugend gut findet und was nicht – verkehrte Welt. Obwohl er stolz ist, wenn sein Sohn im Kültürverein auflegt. Bei seinen Leuten aus St. Pauli heißt es: Ein Fest ist erst dann ein rauschendes Fest, wenn Mehmet seine Anlage aufbaut.
Als die minderjährigen Clubbesucher wieder nach Hause strömen, ist der Gestank schon weniger penetrant.
»Stinkbomben, Alter, wer schmeißt denn so was?«
Sogar bei den Vierzehnjährigen löst das nostalgische Gefühle aus. »Echt? Ist das ’ne Stinkbombe? Krass!«
»Noch nie eine gerochen?«
»Nee, meine erste.«
»Tief durch die Nase einatmen.«
»Boaah …«
»Die Hochzeit!«
Mehmet sieht nicht glücklich aus und sagt zu Keath: »Ich ruf meinen Vater nicht an. Das verdirbt mir die Laune. Ich will jetzt feiern.« Es war ein super U A-Club. Es hat gefetzt. Das war nicht zu überbieten. Die Leute haben geschielt vor Glück!
»Ausgerechnet von Samstag auf Sonntag. Leif reißt mir den Kopf ab«, sagt Mehmet.
»Leif hat Respekt vor deiner Familie. Die geht vor«, beruhigt ihn Maika.
Keath ist dagegen eher beunruhigt bei dem Gedanken, Herr Gündür könnte annehmen, dass er, Keath, die Bitte nach einem Rückruf seines Sohnes nicht weitergegeben habe. »Du musst anrufen! Ich hab’s deinem Vater versprochen.«
»Mach ich aber nicht, und es ist auch keine Familiensache! Arslan Gencer ist es, der da nach mir pfeift!«, sagt Mehmet und zerrt an seinem durchgeschwitzten T-Shirt herum.
»Was hast du gegen Arslan Gencer?«, fragt Nora. »Ist der nicht immer auf euren Festen mit dabei?«
»Er ist ein Mafiatyp.«
»Wenn er ein Mafiatyp ist, kann er dann nicht das Pitbull-Problem beseitigen?«, will Dali wissen.
»Nein«, sagt Mehmet kategorisch.
»Wieso nicht?« Der Bayer ist beharrlich.
»Weil wir dann das Gencer-Problem hätten«, sagt Mehmet düster und zieht sein klingelndes Handy aus der Tasche. »Und das will niemand. Glaubt mir das.« Er checkt die Nummer: Unbekannt. Nicht sein Vater. »Was? Was? Hallo? Mann, ist das laut … Maika?«
Mehmet drückt Maika sein Handy in die Hand, und die verdrückt sich nach dem ersten »Hallo« in Lichtgeschwindigkeit.
»Wie sieht denn der Gencer-Pate aus?«, fragt Dali Nora.
»Keine Ahnung, ich kenn ihn nur dem Namen nach.« Sie wendet sich an Keath. »Kannst du ihn beschreiben?«
Kopfschütteln. Aber jetzt wollen alle den mysteriösen Arslan Gencer unbedingt kennenlernen. Dali, Keath und Nora überbieten sich mit freiwilligen Hilfsdienstangeboten für das Hochzeitsfest. Mehmet lässt sich erweichen und nimmt an.
Bloß Maika ist weg.
»Und jetzt zeig uns mal die Club-Compilation-Andrucke«, sagt Nora zu Dali.
»Echt? Ihr wollt die sehen?«
»Yo, Alder, her mit der stillen Kunst«, grinst Mehmet.
Und Keath nickt. »Interessiert mich. Echt.«
Passt, super, ist das einhellige Urteil.
»Habt ihr die Ratte draußen gesehen?«, fragt Keath.
Nein, haben Mehmet und Nora nicht. Keath zeigt sie ihnen begeistert, und Dali vergibt seinen ignoranten Freunden alles.
Als Maika wiederkommt, packt Mehmet seine Platten ein. Sie hält ihm sein Handy hin und stößt ziemlich hart gegen die Bühne, irgendwie unachtsam. An ihrer statt spürt Nora einen fiesen Schmerz an ihrem angeschlagenen Knie von gestern. Das muss doch wehgetan haben! Aber Maika scheint nichts zu merken.
Sie hat einen seltsamen Glanz in den Augen.
Track #15
15 FightClub.02
Unverwandt starren die Katzenaugen durch das Bürofenster Leif an. Vor Schreck fallen ihm die fünfzig Fünfeuroscheine, die er gerade von seinem Schreibtisch genommen hat, aus der Hand, und Noras U A-Club-Miete segelt wie Herbstlaub auf den Boden. Leif wischt mit dem Handballen in der Mitte des Fensters den Dreck weg und kann nun erkennen, dass die Hofkatze in einer Astgabelung des Holunderbuschs sitzt. Oder hängt sie etwa fest? Ganz schön abgedreht, diese gelbgrünen Augen, die jetzt knapp an ihm
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