Leben (German Edition)
Südafrikanerin, Julia, die vom Heroin nicht loskam, Katja, mit der ich vom Kran gesprungen bin, die Medizinstudentin aus der Vorlesung. Was ist es für ein Stück? Ballett?
Alles, was war, bewegt sich auf dieser Tanzfläche, nichts liegt mehr vor oder hinter mir, hier tanzt alles durcheinander, hier wird für mich gesungen, große Oper, hier singe ich, alles ist zum Greifen nah und doch nicht zu fassen.
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Ich stehe wieder auf der Liste, sammle Wartezeit. Mit jedem Tag steigt die Wahrscheinlichkeit zu sterben, jeder Tag ist ein Tag näher dran am Tod. Doch jeden Tag, das ist die Ironie der Liste, steigt auch die Chance zu überleben – nur muß ein anderer vorher sterben. Und ich weiß schon: Wenn du nicht stirbst, dann sterbe ich.
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Ich denke dann aber gar nicht jeden Tag daran. Ich denke nicht daran, daß der Tag X jederzeit kommen könnte. Abends, wenn ich ins Bett gehe, und morgens, wenn ich aufwache, denke ich nicht immer daran, ich habe überhaupt keine Lust, immer daran zu denken, weiß aber, eines Tages oder Nachts läutet das Telefon vielleicht. Möchte ich, daß du stirbst? Nein, ich möchte nicht, daß du, wo auch immer du dich gerade aufhältst, überfahren wirst. Oder durch eine Windschutzscheibe gegen einen Baum fliegst. Ich möchte nicht, daß dir ein Aneurysma platzt, ich möchte nicht, daß du wie auch immer ums Leben kommst. Eigentlich nicht.
Trotzdem reiße ich Todesmeldungen aus der Zeitung, sie sammeln sich an, ich lege sie in eine Mappe. Auf der Mappe steht: «Als die Kinder schliefen».
In Schokolade
Vincent S. (22)
Aushilfskraft in einer Süßwarenfabrik in Camden, New Jersey
rutschte am Freitag
einen Sack Kakao auf den Schultern
von seiner Arbeitsbühne
fiel in einen drei Meter tiefen Kessel
mit heißer Schokolade
und starb
vom Rührarm des Mischers
am Kopf getroffen
Kollegen hatten
vergeblich versucht
die Maschine
zu stoppen.
Der Schafsbock
Einer 29 Jahre alten Frau aus Simbach
fiel bei einem Spaziergang durch die Stadt Braunau
ein tags zuvor ausgerissener
in Panik vor einem nahenden Zug
von einer Eisenbahnbrücke springender Schafsbock
auf den Kopf
die Frau
kam mit Prellungen und Blutergüssen
ins Krankenhaus
wo sie
(Mutter zweier Kinder)
am Samstagabend
überraschend
verstarb.
Wasserflasche
In einem Gelsenkirchener Seniorenstift
wird ein 86jähriger Bewohner verdächtigt
seine 90jährige Zimmernachbarin
mit einer Wasserflasche
erschlagen zu haben
eine Pflegerin
entdeckte die schwerverletzte Frau
in ihrem Bett
sie starb
ehe der Notarzt eintraf
der Rentner erklärte
sich an nichts
erinnern
zu können.
Lazy Boy
Daniel Webb (33)
340 Kilogramm schwer
starb an Herzversagen
als Feuerwehrleute versuchten
ihn aus seinem Fernsehsessel
(Modell Lazy Boy)
herauszuschneiden
wegen einer Knieverletzung
hatte er die letzten neun Monate
wund
und in den
eigenen Exkrementen
in dem Sessel
verbracht
Hätte man uns gleich
die richtige medizinische Versorgung bewilligt
wäre das nicht passiert sagt seine Frau
sie und ihr Mann
hatten sich vergeblich
um eine Krankenversicherung
bemüht.
Als die Kinder schliefen
Eine 34jährige Frau
gestand vor dem Landgericht Augsburg
ihren 46 Jahre alten Ehemann
einen Polizeihundeführer
erschlagen
und seine Leiche
zersägt zu haben
am 23. Januar sei sie gegen fünf Uhr
vom Weinen ihres Sohnes aufgewacht
und ins Wohnzimmer gegangen
wo ihr Mann einmal mehr
Streit angefangen habe
Ich konnte es nicht mehr hören
bin völlig abgedreht
als ihr Mann auf sie losgegangen sei
habe sie ein Metallrohr vom Fensterbrett genommen
und zugeschlagen er sei
rückwärts Richtung Sofa getaumelt
Als er aufstehen wollte
habe ich noch mal zugeschlagen
dann noch mal
die Obduktion ergab
daß dem Opfer
durch die Wucht der Hiebe
die Halswirbelsäule gebrochen
und der Schädel
zertrümmert worden war
aus Angst
ihre Kinder könnten die Leiche des Vaters sehen
habe sie den Toten in die Waschküche geschleppt
die Wohnung gesäubert
und beide Kinder Tochter und Sohn
in den Kindergarten gebracht zurück im Haus
habe sie der Leiche
die Beine abgetrennt
Ich wollte ihn
aus dem Haus haben
ich konnte
nicht so richtig fassen
was ich gemacht habe
ich wollte nicht mehr
erinnert werden
am Abend als die Kinder schliefen
habe sie die Leichenteile ins Auto getragen
und sei losgefahren
den Torso habe sie
gut sechs Kilometer von ihrer Wohnung entfernt
auf einem Acker abgelegt
die Beine
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