Leben (German Edition)
vergessen.
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Sonntagnachmittag im Krankenhaus. Müde bin ich von den Ausflügen ins Badezimmer, müde vom Wandern auf dem Flur, müde vom Hinausschauen, müde vom Auf- und Zuschlagen des Buches, in dem ich kaum gelesen habe. Wir liegen wieder zu zweit auf der Matratze. Du bist immer da, wenn ich liege, wenn ich aufstehe, wenn ich mich wieder hinlege und mich im Bett bloß drehe. Ich spüre dich bei jedem Atemzug, bei jeder Bewegung, wir liegen zusammen auf diesem Floß, wir treiben zusammen über dieses Meer.
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Und all die Erinnerungstrümmer, die Verzweiflung, die Peinlichkeiten, die kleinen Klinikfreuden, sie müßten vielleicht nur aufgeschrieben werden, das könnte eine Art Dankesbrief sein.
Ja, vita nova, ich sollte anfangen mit diesem neuen Leben. Die Reinigungskraft hatte recht, hier herumzupoltern, ich sollte nicht bloß liegen, ich sollte etwas tun, sollte nach dem Spiralblock oder dem Notizbuch greifen, einen Füller habe ich ja, er schreibt ganz gut. Ich sollte diesen Füller hervorkramen, ihm die Kappe abschrauben und einfach anfangen, ich habe schon eine Idee für einen ersten Satz, er könnte lauten: Ich komme kurz nach Mitternacht – da vibriert das Telefon auf dem Nachttisch und beginnt, über die glatte Oberfläche zu wandern, ich strecke die Hand aus, fange es ein, nehme das Gespräch an, höre erst nichts und dann eine Stimme, die sagt: Papa? Kommst du bald nach Hause?
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Epilog
Die Vorstellung zu einer routinemäßigen Kontrolluntersuchung ein Jahr nach Lebertransplantation erfolgte in einem hervorragenden Allgemeinzustand. Die Transplantatleber zeigt klinisch und laborchemisch eine gute Funktion hinsichtlich der Synthese- und Exkretionsleistung. Laborchemisch und histologisch liegen keine nennenswerten Zeichen einer akuten oder chronischen Parenchymschädigung vor. Sonographisch ist sowohl die Perfusion als auch die Morphologie der Leber unauffällig.
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Über David Wagner
David Wagner, 1971 geboren, debütierte im Jahr 2000 mit dem Roman «Meine nachtblaue Hose» und veröffentlichte in der Folge den Erzählungsband «Was alles fehlt», das Prosabuch «Spricht das Kind», die Essaysammlung «Welche Farbe hat Berlin» sowie den Roman «Vier Äpfel», der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und lebt in Berlin.
«David Wagners Büchern ist etwas gemeinsam, das man ein Bewußtsein für die Vergänglichkeit, für das Verschwinden von Dingen und Menschen nennen könnte. Dieses Bewußtsein schlägt sich nicht etwa in Sentimentalität nieder, sondern in einer Genauigkeit des Blicks.»
Wiebke Porombka, die tageszeitung
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Über dieses Buch
«Wann passiert es schon, daß einem die Verlängerung des eigenen Lebens angeboten wird?»
Der Anruf kommt um kurz nach zwei. Ein junger, sterbenskranker Mann geht ans Telefon, und eine Stimme sagt: Wir haben ein passendes Spenderorgan für Sie. Auf diesen Anruf hat er gewartet, diesen Anruf hat er gefürchtet. Soll er es wagen, damit er weiter da ist für sein Kind? Er nimmt seine Tasche und läßt sich ins Berliner Virchow-Klinikum fahren.
Von der Geschichte und Vorgeschichte dieser Organtransplantation handelt «Leben»: von den langen Tagen und Nächten im Kosmos Krankenhaus neben den wechselnden Bettnachbarn mit ihren Schicksalen und Beichten – einem Getränkehändler etwa, der heimlich seine Geliebte besucht, oder einem libanesischen Fleischer, der im Bürgerkrieg beide Brüder verlor. Beim Zuhören bemerkt er zum ersten Mal, daß auch er schon ein Leben hinter sich hat. Und da, in seinem weißen Raumschiff Krankenbett, unterwegs auf einer Reise durch Erinnerungs- und Sehnsuchtsräume, kreisen die Gedanken: Wen hat er geliebt? Für wen lohnt es sich zu leben? Und welcher Mensch ist gestorben, so daß er weiter leben kann, möglicherweise als ein anderer als zuvor?
David Wagner hat ein berührendes, nachdenklich stimmendes, lebenskluges Buch über einen existentiellen Drahtseilakt geschrieben. Ohne Pathos und mit stilistischer Brillanz erzählt er vom Lieben und Sterben, von Verantwortung und Glück – vom Leben, das der Derwisch eine Reise nennt.
«David Wagner berührt die ganz großen Fragen. Was heißt es, auf der Welt zu sein? Was ist das Leben?»
Dirk Knipphals, die tageszeitung
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Impressum
Die Arbeit des Autors am vorliegenden Buch wurde durch den Deutschen Literaturfonds e.V.
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