Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
Whisky aus Schottland und Irland, Grappa aus Italien, Metaxa aus Griechenland, alles importiert und die Liste war endlos. Auf der glänzenden Glasoberfläche standen Spezialitäten, die mancher Wein- und Alkoholfachmann noch nie in seinem Leben zu Gesicht bekommen, geschweige denn probiert hatte. Die Hälfte der Namen konnte Andreas nicht einmal aussprechen, aber er wusste, dass jede einzelne Flasche Alkohol enthielt. Viel Alkohol.
    Er biss sich auf die Unterlippe. Konnte nicht klar denken. Er war müde und musste schlafen. Zögernd griff er nach einer Flasche. Wahllos. Ein blau gefärbter Vampir grinste ihm vom Etikett entgegen. Es war nicht richtig. Aber es war vielleicht eine Lösung.
    Zurück in seinem Zimmer griff Andreas nach seinem Notvorrat Medikamente, überlegte, nahm nur eine Tablette und spülte sie mit dem nach Ingwer schmeckenden Likör hinunter. Beinahe wäre ihm wieder schlecht geworden.
    Aber er behielt beides in seinem leeren Magen und irgendwann, nach langer Zeit, taten Erschöpfung, Alkohol und Beruhigungsmittel ihre Wirkung.
    Als er wieder aufwachte, hatte er Schmerzen jenseits aller menschlichen Empfindungen. Es war Mittag geworden und er schrie wie ein Kind in sein Kopfkissen hinein. Er konnte nicht richtig sehen, ihm war schwindelig, er schmeckte Blut und Ingwer, als er sich wie ein Tier neben seinem Bett zusammenrollte und wartete, dass es aufhörte.
    Aber so weit, zum Arzt zu gehen, war er immer noch nicht.
     
    Kapitel 27
     
    „Was ist denn heute mit unserer kleinen Schwuchtel los?“, drang es in der Pause an Saschas Ohr. “Liebeskummer?“
    Das infernalische Trio. Wieder einmal. Sascha hatte sich bisher nicht die Mühe gemacht, sich ihre Namen zu merken. Sie waren nicht wirklich schlimm. Nur ein paar minderbemittelte Vollidioten mit großer Klappe, die nicht handgreiflich wurden.
    „Fahr zur Hölle“, erwiderte er ungerührt und blätterte weiter durch seine Notizen.
    Der Wind griff kühl in seinen Nacken und wühlte sich durch das ordentlich zusammengefegte Laub zu seiner Linken. Goldbraune Blätter, die nach Verfall und Herbst rochen, stiegen in die Luft und legten sich auf seine Turnschuhe.
    „Yeah, genau, sonst treffen wir uns nach der Schule und ich zeige euch, was ich mit intoleranten Arschlöchern wie euch mache. Schon mal den Schwanz gepierct bekommen? Mit einer dreckigen Nadel? Also verpfeift euch.“
    Es war Brain. Selbst ohne seine Stimme zu erkennen oder ihn zu sehen, wusste Sascha, dass es nur Brain sein konnte. Niemand anderes drohte Spöttern und Schandmäulern damit, ihnen mit den Sicherheitsnadeln an seiner Lederjacke Piercings zu verpassen. Die Wahl der Körperstelle wurde durch den Grad der Entrüstung bestimmt, die Brain empfand.
    Sascha vermutete, dass der Freund es nie tun würde. Oder? Selbst wenn, es wäre ihm in diesem Moment egal. Denn auch, wenn er sich gelassen gab, musste er zugeben, dass seine Peiniger nicht ganz unrecht hatten. Es ging ihm nicht gut. Er war traurig. Und er wunderte sich darüber, wie traurig er war. Wie verloren er sich fühlte.
    „Junge, was ist los?“, wollte Brain wissen und setzte sich neben Sascha auf die Bank. Zahllose Schüler hatten ihre Initialen in das Holz geritzt. „Du machst ein Gesicht, als wäre dein Hamster gestorben.“
    „Hab keinen Hamster“, gab Sascha wortkarg zurück.
    Er wollte nicht reden. Er wüsste gar nicht, was er sagen sollte. Dass Andreas – nominell sein bester Freund – ihn fürchterlich angefahren und ihn aus seinem Leben verbannt hatte? Dass er am Wochenende nach Hause fahren musste, obwohl er es nicht wollte? Dass es niemanden gab, bei dem er sich vorher ein Gefühl von Sicherheit holen konnte, weil Andreas ihn nicht mehr sehen wollte? Dass er sich fühlte, als läge ihm ein Stein im Magen, nur weil er eine Abfuhr erhalten hatte?
    Brain spielte mit den Schnürsenkeln seiner ausgetretenen Springerstiefel und beobachtete ihn von der Seite: „Ausspucken ist besser als schlucken.“
    „Sicher?“, gab Sascha zurück und hob das Gespräch damit auf die anzüglich-billige Ebene, auf der sich viele Unterhaltungen zwischen den Mitschülern ihres Jahrgangs bewegten. Zumindest bei den Jungen.
    „Depp“, grinste Brain und stieß ihm hart in die Seite, bevor er weise hinzufügte: „Nicht immer dreht sich alles um Sex. Fast immer. Aber es gibt ein paar Ausnahmen. Also, was ist los? Du bekommst den Mund nicht auf, du siehst aus, als hättest du schlecht geschlafen und bist überhaupt nicht der lustige

Weitere Kostenlose Bücher