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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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sie lediglich geschickt? Hin oder her, was war hier eigentlich los?
    Unsicher, wie er sich verhalten sollte, drehte Sascha den Kopf beiseite und betrachtete die Blumenampel, die vom Vorbau des Daches baumelte. Die Bepflanzung war verwelkt und hing traurig herunter. Was sollte er tun? Nach drüben gehen? Warum nicht? Egal, was ihn erwartete, es wäre eine Möglichkeit, die Situation zu klären. Ein für allemal. Thema durch, eine Chance, weiter zu machen, ohne sich immer wieder dieselben Fragen zu stellen.
    Außerdem ließ es ihn nicht los, dass eine fremde Frau hierher kam, um Gesellschaft für den Sohn ihrer Arbeitgeber zu organisieren. Daran war entweder etwas faul oder sehr traurig.
    Er drehte sich in Richtung Haus und schrie in den Flur: „Eure Mama ist gleich wieder da. Ich bin eben drüben. Wenn was ist, kommt rüber.“
    Es war nicht in Ordnung, die Kinder allein zu lassen. Das wusste Sascha selbst. Aber er hatte gerade andere Sorgen und sie würden hoffentlich nicht gleich die Bude in Brand setzen.
    Sie schwiegen auf dem Weg zur Villa. Ivana trippelte mit kleinen Schritten neben Sascha her, der unbewusst die Beine streckte. Er wollte es hinter sich haben, wie es auch ausgehen mochte. Er nahm sich vor, bestimmt aufzutreten und sich nicht anmerken zu lassen, wie erbärmlich er sich fühlte, nein, gefühlt hatte.
    Je nachdem, wie schlecht es Andreas ging – was sollte er schon haben? -, würde er ihm mehr oder weniger schonungslos klarmachen, was er von ihm hielt. Nichts rechtfertigte sein Verhalten. Nichts rechtfertigte, dass er Sascha seine Räuberhöhle, seine Unterstützung, seine ... halt, falscher Weg. Ganz falscher Weg.
    Er war stark, er brauchte Andreas nicht und abgesehen davon, dass er ihn gerne anfasste und küsste, verband sie nichts. Ja, genau. Das Schwarze Loch dehnte sich aus.
    „Er ist in seinem Zimmer“, sagte Ivana leise, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte. „Wenn du ihn dazu bringen könntest, etwas zu essen. Ich wäre dir dankbar.“
    Natürlich war Andreas in seinem Zimmer. Wo sonst?
    Nur allmählich wurde Sascha nervös. Selbstverständlich nicht, weil er Angst vor dieser Begegnung hatte. Kein bisschen. Niemals. Denn er war kein Schwächling und kein verliebter Vollidiot. Nicht jetzt. Später, wenn er allein war, vielleicht wieder.
    Sein Herzschlag nahm mit jeder Stufe, die er überwand, an Tempo zu. Am liebsten wäre er umgekehrt. Noch hatte er Hoffnung, auch wenn er sie nicht wollte. In ein paar Minuten sah das vielleicht ganz anders aus.
    Sascha knirschte mit den Zähnen und straffte die Schultern. Er war kein Feigling.
    Entschlossen – und ohne anzuklopfen – trat er die Tür von Andreas' Zimmer auf und marschierte in den Raum; sein ganzes Auftreten eine Kampfansage. Dass der Freund, Bekannte, Liebhaber, Nachbar auf dem Bett lag, verwunderte ihn nicht. Dass er wie Espenlaub zitterte ... aussah wie eine lebende Leiche ... die Ringe unter seinen Augen an einen Drogensüchtigen erinnerten ... sein schlankes, sonst so ansehnliches Gesicht asymmetrisch verzerrt war ... krampfte ... schlotterte ... bebte ...
    „Was ist denn mit dir passiert?“, brach es aus Sascha hervor.
    Alle guten Vorsätze, alles, was er sich zu sagen vorgenommen hatte, war aus seinem Kopf verschwunden. Andreas war ein Wrack. Gegen den Zustand, in dem er sich jetzt befand, war er bei ihrer ersten Begegnung das blühende Leben gewesen.
    Saschas Blut gefror zu Eis. Ivana hatte nicht gelogen. Andreas ging es schlecht. Das änderte nichts an den Fakten, gar nichts, nur ... es tat weh. Warum tat ihm dieser Anblick so weh?
    Überfordert sah Sascha sich um, wich dem glasigen Blick des Freundes aus. Das Zimmer war weit unordentlicher als sonst. Getragene Hemden lagen vor dem Kleiderschrank. Ein zerrissenes Taschenbuch fristete ein trauriges Dasein halb unter dem Bett. Auf dem Nachttisch entdeckte Sascha eine Batterie Medikamente sowie einen Teller mit Hühnersuppe, der kaum angerührt war.
    „Was tust du hier?“, zwang Andreas Saschas Aufmerksamkeit wieder auf sich.
    Seine Worte waren kaum zu verstehen und es war ihm anzusehen, dass er schlecht sprechen konnte.
    „Das frage ich mich auch“, gab Sascha unumwunden zu und fühlte sich grausam.
    Er hatte gedacht, Andreas hätte ihn hängen lassen. Aber wenn er sich den Freund so ansah ... nein, keine Vergebung. Nicht einfach so. Dafür brauchte es schon eine Erklärung. Mit Mitleid war keinem geholfen. Auch nicht, wenn Sascha wahrlich nicht nach Streiten zumute

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