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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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war nur, dass Andreas zum ersten Mal seit Langem den Wunsch verspürte, jemanden mit positivem Verhalten für sich einzunehmen.
    Auf einmal stand er auf den Füßen, ohne bewusst die Entscheidung gefällt zu haben, aufstehen zu wollen. Er wusste nur, dass ihm ein paar Dinge in Zukunft nicht mehr passieren würden.
    Keine schmutzigen Teller mehr neben dem Monitor, keine Armada leerer Wasserflaschen neben dem Bett. Keine getragenen Oberteile vor dem Fernseher, keine Sportsachen auf dem Teppich neben der Tür und definitiv kein ungewaschener Andreas, den man nicht spontan besuchen konnte. Ach so, und um Himmels willen keine Hüllen von Schwulenpornos auf dem Nachttisch.
    Letzteres galt es natürlich immer zu beachten. Es fehlte ihm gerade noch, dass seine Eltern herausfanden, dass ihre Hoffnungen auf eine Hochzeit mit einer karriereorientierten, gebärfreudigen Super-Frau vergebens waren. Bei genauerer Betrachtung sagte es wohl viel über die von Winterfelds aus, dass sie bisher nichts von Andreas' Vorliebe wussten.
    Hätten sie sich die Mühe gemacht, die Rechnungen des Videolieferanten zu prüfen, hätte ihnen eigentlich auffallen müssen, was er da bestellte. Vermutlich fielen die paar Pornos zwischen den vielen anderen Filmen nicht auf – schon gar nicht, da er stets darauf achtete, dass die Titel ihn nicht verrieten. Er verzichtete auf Filme mit Namen wie „ Hot male action at the boot camp und wählte stattdessen unspektakuläre DVDs namens Funhouse , die alles und nichts bedeuten konnten.
    Als Erstes verschwand der Film, der Andreas die morgendliche Erleichterung beschert hatte, in seinem Versteck. Anschließend wanderte das Taschentuch mit den Überresten seiner Erfüllung in den Mülleimer. Es war ihm fremd, seinen Tag zu planen. Normalerweise stand er auf, wann er Lust hatte, tat dies oder jenes, nahm sich etwas vor, ließ die Idee wieder fallen, stand auf, ging in die Küche, legte sich hin, machte den Computer an und so weiter. Eine Struktur gab es nicht; selbst dann nicht, wenn Dr. Schnieder zum Unterricht kam.
    Heute ging er die Dinge instinktiv, und ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, anders an. Sein erster Weg führte ihn mit frischer Kleidung unter dem Arm ins Bad. Mechanisch arbeitete er sich durch die Körperpflege und fand, dass sein Spiegelbild in den letzten Tagen weniger finster wirkte.
    Frisch geduscht fühlte er sich gleich ein wenig besser. In Gedanken versunken marschierte er zurück in sein Zimmer, um seine Sachen vom Vortag einzusammeln. Kurz wollte er sie wie üblich in eine Ecke werfen, bevor er sich anders entschied und sie ins Bad in den Wäschekorb brachte. Wieder in seinem eigenen Raum riss er die Fenster weit auf und schauderte, als ihm die kühle Morgenluft mit dem dezenten Duft des nahen Wassers entgegen schlug. Der Sauerstoff weckte seine Lebensgeister und seinen Hunger.
    In Gedanken bei der Frage, ob Sascha wohl schon wach war, machte Andreas sich auf den Weg nach unten. Wie außergewöhnlich sein Verhalten war, wurde ihm erst bewusst, als er in die Küche kam und seiner Mutter angesichts seines Anblicks beinahe ein Apfel aus der Hand fiel. Sie trug ein helles Kostüm und schnitt Obst für den langen Tag im Büro. Ivana war noch nicht im Haus, was seltsam war, denn sie gehörte für Andreas wesentlich eher in die Küche als seine Mutter.
    „Andreas“, raunte sie überrascht. „Was tust du hier? Geht es dir nicht gut?“
    „Ich habe Hunger“, zuckte er die Achseln und steckte den Kopf in den Kühlschrank auf der Suche nach Milch zu seinem Müsli.
    „Warst du wieder die ganze Nacht wach? Du weißt, dass ...“
    „Mama!“ Andreas hatte gefunden, wonach er suchte und knallte die Kühlschranktür zu. Er trank einen Schluck aus der Packung, bevor er sagte: „Schau mich mal an. Ich bin frisch geduscht, rasiert und alles. Glaubst du, das tue ich, bevor ich auf dem Weg ins Bett bin? Ich bin ausgeschlafen. Das ist alles.“
    Alles, was Margarete dazu hervorbrachte, war ein leises „Oh“. Sie hatte genug Erfahrung mit ihrem Sohn, um nicht weiter in ihn zu dringen; eigentlich jedenfalls. Es wunderte sie, dass er so früh auf den Beinen war und sie war sich nicht sicher, ob es ihr gefiel. Unfähig, sich zu bezähmen, fragte sie vorsichtig: „Meinst du nicht, du solltest dich ein wenig mehr ausruhen? Schlaf tut dir gut. Du siehst immer so schlecht aus, wenn du übermüdet bist.“
    „Ich bin nicht übermüdet. Ich bin früh ins Bett gegangen. Ich habe dir schon tausend Mal

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