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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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mehr dahinter.“
    „Ja. Nein ... vielleicht. Ich weiß es nicht“, grummelte Sascha unstet. Sein rechtes Bein fing an, rhythmisch zu wippen. „Diese ganze Sache ist total bizarr.“
    „Bizarr?“, mimte Tanja den Papagei. „Was meinst du damit?“
    „Naja, du hattest mir doch erzählt, dass ihr euch schon länger fragt, was mit ihm los ist. Und er ist wirklich krank. Ich habe keine Ahnung, was er hat, aber er hat mir gesagt, dass er das Haus nicht verlassen kann. Kannst du dir das vorstellen?“
    Sie grub sacht die Zähne in ihre Unterlippe und schüttelte den Kopf: „Nein, kann ich nicht. Möchte ich auch gar nicht. Aber das ist im Grunde ja das, was ich dir gesagt habe. Dass man ihn nie draußen sieht.“
    „Ja, nur ...“, Sascha wich ihrem fragenden Blick aus, bevor er sagte: „Ich finde das heftig. Ich war in seinem Zimmer. Alles ist vollgestopft mit Filmen und Büchern und dem neuesten Technik-Kram. Richtig teures Zeug. Konsolen, Computerspiele. Und weißt du, was über seinem Schreibtisch hängt? Postkarten aus allen Herren Ländern. Ich meine, warum tut er sich das an? Wenn er doch selbst nicht nach draußen kann?“
    „Das kann ich dir auch nicht sagen“, erwiderte Tanja. Sie rutschte auf ihrem Stuhl umher, als würde sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen; ein Gefühl, das Sascha sehr gut nachempfinden konnte. „Vielleicht braucht er sie als Fenster nach draußen. Damit er nicht vergisst, dass es noch eine andere Welt gibt. Aber du hast schon recht. Irgendwie ist das ein bisschen masochistisch.“
    „Ich glaube, er würde gerne mal wegfahren. Fernweh oder so“, presste Sascha hervor und kam sich melodramatisch vor. „Das gibt es doch gar nicht. Er kann nicht einmal zum Elbstrand hinuntergehen oder zum Hafen oder in einen Club oder sonst was. Aber weißt du, was noch schlimmer ist?“
    „Nein?“
    „Ich habe dumme Fragen gestellt, woher die Postkarten kommen und dass seine Freunde ihn bestimmt oft besuchen, weil er ein halbes Kino in seinem Zimmer hat. Danach hat er mich angeschaut, als wäre mir ein Geweih gewachsen. Und dann hat er mir gesagt, dass er sich die Karten aus dem Netz bestellt hat und ...“ Sascha schluckte. „Als ich meinte, dass seine Freunde bestimmt oft vorbeikommen, hat er mich angesehen und gefragt: welche Freunde?“
    Entsetzt lehnte Tanja sich zurück und wisperte: „Wow ... oh, wow. Das ist ...“
    „Wirklich schlimm? Er ist eingesperrt in diesem Haus da drüben ...“
    „Und seine Eltern sind nie daheim“, warf die Tante bitter dazwischen.
    „Ja, das auch noch. Er tut mir so leid. Ich dachte, es würden wenigstens Leute aus seiner alten Klasse vorbeikommen. Aber in Wirklichkeit scheint es noch viel schlimmer als du gedacht hast. Und er war tierisch nervös, als ich da war. Als hätte er Angst, dass ich irgendein Geheimnis entdecken könnte.“
    „Oder als ob er es nicht gewohnt ist, mit anderen Menschen zu tun zu haben?“, fragte Tanja bewegt. „Der arme Kerl. Er war schon als Kind so still. Scheiße“, fluchte sie herzlich. „Vermutlich hätte ich schon vor Jahren nachhaken sollen. Wir wussten alle, dass etwas nicht stimmt. Aber dass er so isoliert ist, habe ich mir nicht vorgestellt. Dabei ist es eigentlich logisch. Man hätte von selbst darauf kommen müssen.“
    Ja, dem musste Sascha zustimmen. Allerdings wusste er auch, dass man hinterher immer klüger war und es für niemanden leicht war, sich in die Angelegenheiten anderer Leute hineinzuhängen. Der Grat zwischen unangebrachter Neugier und Wegschauen war schmal. Man wollte keinen Fehler machen, die Privatsphäre der Nachbarn nicht stören. Außerdem ... was konnten sie schon tun? Andreas war krank. Sie konnten ihn nicht heilen. Seine Eltern kümmerten sich mit Sicherheit darum, dass er behandelt wurde.
    „Magst du ihn?“, fragte Tanja plötzlich leise.
    „Wie, so richtig mögen-mögen?“, blinzelte Sascha verblüfft. „Nein. Aber er ist ein wahnsinnig netter Kerl. Wir haben viel Spaß zusammen. Vor allen Dingen ist er kein Toastbrot.“
    „Ein Toastbrot? Was ist denn bitte ein Toastbrot?“
    „Eine Dumpfbacke, ein Depp, ein Hornochse, jemand, der seine Finger zum Zählen braucht. Er hat richtig was im Kopf“, erklärte er mit einem halben Lachen.
    „Ach so, ein intelligentes Kerlchen also“, lächelte Tanja warmherzig. „Und ich meinte nicht, ob er ein Typ zum Verlieben ist. Ich meinte, ob er ein Mensch ist, mit dem du dich anfreunden könntest.“
    „Ich denke, das haben wir schon

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