Leben im Käfig (German Edition)
das in Zukunft handhaben.
Und Sascha kam. Schleuderte seinen Rucksack in eine Ecke, schloss hinter sich ab und warf seine Jacke achtlos zu Boden. Dann war er bei Andreas, stand direkt vor ihm und lächelte immer noch tapfer.
„Hey“, raunte er kaum hörbar. Seine Finger waren kühl, als er nach Andreas' Gesicht tastete und vorsichtig über seine Wange rieb. „Du siehst ja wieder fast normal aus.“
„Selber hey“, erwiderte Andreas und drehte kaum merklich den Kopf, um sich der leichten Berührung entgegen zu drängen. Seine Lider drohten vor Erleichterung und Wohlbehagen zuzufallen.
„Was macht dein Mund?“
„Und? Hast du einen Kater?“
Sie fragten gleichzeitig und lachten verlegen auf.
Sascha kam Andreas sehr nahe, stieß ihre Nasenspitzen gegeneinander, bevor er noch einmal fragte: „Wie geht es dir nun?“
Ein dringlicher Unterton lag in seinen Worten.
„Besser“, murmelte Andreas. Bevor die letzte Silbe korrekt ausgesprochen war, spürte er Saschas Hand in seinem Nacken und seinen Mund auf seinen Lippen. Weich, vorsichtig, als wäre er etwas Zerbrechliches, das geschont werden musste. Nur ganz entfernt war ihm bewusst, dass dies das erste Mal war, dass sie sich als Paar küssen konnten, seitdem sie zusammen waren. In seiner Kehle rumpelte es.
Als sie sich voneinander trennten, sah Sascha ihn fragend an: „Tue ich dir weh?“
Andreas fand die Frage ebenso merkwürdig wie die ungewohnte Zärtlichkeit – oder Zurückhaltung? -, mit der sein neuer Freund ihm begegnete.
„Nein nein“, schüttelte er den Kopf und dachte sich heimlich, dass es ihm vollkommen egal gewesen wäre, wenn es wehgetan hätte. „Was macht dein Kopf? Du warst ja gestern ganz schön am Ende.“
Sascha stöhnte unterdrückt und wich seinem Blick aus: „Hör bloß auf. Für Kopfschmerzen gibt es Aspirin, aber für einen Filmriss würde ich einiges geben. Sorry, dass ich dich vollgeschwallt habe.“
Eigentlich fand Andreas, dass es keinen Grund gab, sich zu entschuldigen. Aber anscheinend war Sascha sein Ausbruch peinlich und das konnte er sogar verstehen. Er hatte die Nerven verloren. Das war immer unangenehm. Davon konnte Andreas ein Lied singen.
Nur welche Aussagen bereute er wohl? Die, die mit ihnen beiden zu tun hatten oder die, die die dunkleren Themen wie die Definition des Begriffs „Heimat“ betrafen?
Er bemühte sich um ein Grinsen und griff nach den Bändern von Saschas Kapuzenpulli, zog spielerisch daran: „Bei mir musst du dich sicher nicht entschuldigen. Da gibt es andere.“
„Ach ja?“ Sascha wirkte verwirrt.
„Na, zum Beispiel bei der armen Sau, die morgen früh die Schulhofaufsicht hat und deine Hinterlassenschaften findet.“
„Oh Mann, daran habe ich gar nicht gedacht.“
„Sollst du auch nicht. Nicht jetzt.“
Das Gespräch dauerte für Andreas' Geschmack schon viel zu lange. Erst seine Sucht anstacheln und dann dummes Zeug reden war nicht fair: „Komm her.“
Willig schob Sascha sich zwischen seine Beine, während sie sich küssten. Mit geschlossenen Augen tastete Andreas über die schlanke Form des Oberkörpers vor sich.
Gott, er hatte das vermisst.
Das Gefühl, wenn sich ihre Zungenspitzen feucht aneinander rieben, wenn er spürte, wie sehr Sascha mit ihm zusammen sein wollte, wenn sie Geruch und Geschmack des anderen in sich aufnahmen, als gäbe es kein Morgen. Er liebte es, nicht denken zu müssen. Bartstoppeln kratzten ihn am Kinn und prickelten auf seinen Lippen, als Sascha sich von seinem Mund löste und sich mit kitzelnden Küssen in Richtung Wangen schlich.
Andreas wollte sich vor Lust schütteln, als etwas Feuchtes sein Ohr erreichte. Als Sascha mit der Zungenspitze sacht dem Schwung seines Ohrs folgte, glaubte er angesichts der Intensität der Empfindungen in die Knie gehen müssen.
Sein Hals wurde zu einem Minenfeld, als sich ein weicher Mund daran festsaugte. Hätte Sascha ihm in diesem Augenblick einen Knutschfleck in der Größe eines Bierdeckels verpasst, es wäre Andreas egal gewesen. Er verlor sich in einem Wechselbad aus Reizen. Zähne, Lippen, Nasenspitzen, stachlige Stoppeln, Zungen. Und das war nur das, was Sascha an seinem Hals anrichtete. Von dem, was er mit seinen Händen auf seiner Jeans anstellte, ganz zu schweigen.
Andreas wollte schon in Richtung des Bettes drängeln, als die erregenden Trommelfeuer auf seiner Haut nachließen.
Er murrte, drängte sich fester an Sascha und zögerte erst, als sich der Nebel vor seinem Geist etwas lichtete.
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