Leben im Käfig (German Edition)
Angst haben, an dem sie ihm alles kaputt machte. Dass Sascha den Schlussakt dieses Theaters zu Gesicht bekam, war ihm mehr als unangenehm.
Der Kopf der zarten Blondine ruckte herum. Ihr Mund verzog sich zu einem scheuen Lächeln, als sie aufstand und ihr Kostüm glättete. Grüßend nickte sie Sascha zu, bevor sie sich langsam zu Andreas umdrehte. Ihre Lippen bildeten stumm die Worte: „Ich verspreche es dir.“
Anschließend verließ sie eilig den Raum.
Als ihre Schritte verklangen, schlug Andreas innerlich drei Kreuze und sah Sascha entgegen. Sofort spürte er ein Ziehen in seiner Wirbelsäule, gefolgt von einer Reihe warmer, weicher Empfindungen, die durch seinen Bauch tanzten. Es tat gut, ihn wieder hier zu sehen. Gut, aber nicht leicht.
„Ärger?“, fragte der Freund und schloss unaufgefordert die Tür hinter sich ab. Andreas hätte ihn küssen können; dieses Mal in einem gänzlich unschuldigen Wortsinn.
„Nur das übliche“, raunte er abfällig. „Und bei dir? Wieder Trouble in der Schule?“
„Nein, kann man nicht sagen. Nach der Nummer von gestern war es heute ganz okay“, gab Sascha zurück. „Ich denke, ich bin gestern nur den Idioten über den Weg gelaufen. Heute war die Trefferquote höher.“
Andreas musste sich eingestehen, dass er enttäuscht war. Es war eine hässliche Überlegung, aber irgendwie hatte ihm der Gedanke gefallen, dass seine einzige Bezugsperson anders herum auch nur bei ihm Ruhe bekam. Das war egoistisch und widerlich und er musste sich selbst zur Ordnung rufen. Schlimm genug, dass er selbst keine Freundschaften aufbauen konnte. Dieses Schicksal gönnte er Sascha nun wirklich nicht. Jedem, aber nicht Sascha.
„Was war eigentlich gestern? Wolltest du das nicht heute erzählen?“
Und Sascha erzählte. Von der Schule, von den Kursen, von den Leuten, von den Lehrern. Er erzählte auch von dem Zusammenstoß, aber ließ den entscheidenden Teil nach kurzem Stocken weg. In dieser Version wurde er nur als Emo bezeichnet und wehrte sich dagegen. So führten sie auf einmal ein angeregtes Gespräch über Leute, die anderen Menschen unbedingt ein Etikett aufdrücken und sie in eine Schublade packen wollten. Andreas sog die Erzählungen von der öffentlichen Schule in sich auf. Es war ein wenig wie Fernsehen für ihn. Irreal, aber dennoch schön zu hören. Unterhaltung mit einem winzigen Nachklang von Bitterkeit.
Der einzige ernste Gedanke, der dabei durch seinen Geist schwebte, war die Angst, eines Tages nach Sascha zu greifen und ihn einfach zu küssen. Mitten im Satz. Ohne auf die Konsequenzen zu achten.
Kapitel 18
Andreas beherrschte sich eisern.
An diesem Tag und auch in den folgenden Wochen. Der Sommer warf noch einmal ein Tuch aus Hitze über die Stadt, bevor er sich langsam verabschiedete und den warmen Farben des Herbstes seinen Platz überließ.
Andreas übte sich in Selbstbeherrschung, aber es war schwer für ihn. Immer wieder betete er sich vor, dass eine Freundschaft mehr war, als er sich je erträumt hatte. Das klappte gut, solange er allein war.
Sobald Sascha auftauchte, waren seine Karten ungleich schlechter. Dann erwischte er sich dabei, dass er den Freund anstarrte und seine Finger verlangend kribbelten. Manchmal frustrierte es ihn so sehr, dass er sich wünschte, den Kontakt abzubrechen.
Einmal ging er sogar so weit, es zu tun. Er mied das Online-Spiel und schob eine schlechte Verfassung vor, wenn Sascha vorbei kam. Das hielt er genau drei Tage lang durch. Danach wurden die Einsamkeit und die Sehnsucht zu groß.
Dass Sascha wesentlich häufiger bei ihm auftauchte, als eine normale Freundschaft erklären konnte, bemerkte er nicht. Wie auch, fehlte ihm doch die Erfahrung in diesen Dingen.
Nach und nach fand Andreas eine Balance. Das, was er bekam, genoss er in vollen Zügen, aber nach einigen schlaflosen Nächten setzte sich der Gedanke, dass es für eine Beziehung zwischen Sascha und ihm keine Chance gab. Gewusst hatte er es immer, aber er brauchte eine Weile, um es auch gefühlsmäßig zu akzeptieren. Wichtig war, dass es ihm besser ging, seine Mutter sich an ihr Versprechen hielt und sein Vater keine Anstalten machte, ihm Mädchen ins Haus zu bringen.
Bei Sascha hingegen sah es anders aus. Die neue Schule war letztendlich sein geringstes Problem. Zwischen dem Trio, das ihm am ersten Tag in die Quere gekommen war und ihm würde es so schnell keine Liebe geben. Aber sie ließen ihn meistens in Frieden und wenn nicht, kanzelte er sie mit
Weitere Kostenlose Bücher