Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
bitte nicht zu viel Fantasie. Zu unklar, ob das Verschwinden der Jüngerin von Weis etwas mit der Bombendrohung im Rathaus zu tun hat. Einverstanden. Mehr wollte ich nicht.
Tiefgarage in der Nacht. Nur ein paar Autos. Grelles Licht der Neonröhren. Lange Schatten. Tagsüber ist oft kein einziger Parkplatz frei. Ich parke ganz nahe beim Aufgang zur Redaktion. Trotzdem steige ich schneller aus als sonst, schließe schneller als sonst die Tür, bin schneller als sonst beim Ausgang. Erst auf dem Gang zum Lift atme ich durch. Schritte. Beinahe hätte ich aufgeschrien. Aber es ist nur der Nachtportier, er habe jemanden aus der Tiefgarage kommen gehört, sagt er, da müsse er doch nachsehen, so spät in der Nacht. „Ist etwas Besonderes passiert?“ Ich schüttle den Kopf und fahre nach oben. Dunkles Großraumbüro. Ich mache das Licht an.
Wer hat Grund, Franziska Dasch zu ermorden? Stopp. Du weißt nicht, ob sie ermordet wurde. Na von selbst wird sie nicht in die Recyclinganlage gefallen sein. Und wenn nur ihr Schuh hineingefallen ist? Der Ehemann hat eigentlich nicht gewirkt, als hätte er mit der Sache zu tun. Eher ignorant als eifersüchtig. Darauf erpicht, dass sie brav ihre Rolle als Industriellengattin spielt. Aber man muss natürlich nachsehen. Vielleicht hat sie das große Geld? Vielleicht hat sie die Firma von ihren Eltern geerbt und will sie nun Stück für Stück ins Weis.Zentrum einbringen? Vielleicht ist die Firma pleite und er schreibt es ihr zu? Die Polizei wird das prüfen. Warum ist dieser Zettel auf dem Schreibtisch von Weis gelegen? Soll er damit in Verdacht gebracht werden? Aber warum ist der Zettel dann wieder verschwunden? Weil jemand Angst hatte, dass man seine Handschrift erkennen würde? Der Ehemann hätte sicher nichts dagegen gehabt, Weis eins auszuwischen. Aber dafür gleich die eigene Frau zu ermorden? Hat Franziska Dasch auf der Gala etwas gesehen, was sie nicht hätte sehen dürfen? Hat sie ihrem Guru davon erzählt? Was, wenn der sein Wissen nützt, um jemanden zu erpressen? Dieser hätte dann seinerseits allen Grund, Weis in Verdacht zu bringen. Zu kompliziert. Zu spekulativ. Auch wenn ich es Weis zutraue, das zu verwenden, was ihm seine Jüngerinnen in „innerer Verbundenheit“ zuflüstern.
Nach ihrer Stunde bei Weis hat Franziska Dasch jedenfalls glücklich und entspannt gewirkt. Mehr als das, nahezu strahlend. Seltsames Glück. Aber ist es nicht egal, wodurch man glücklich wird? Nein, ist es nicht. Ich starte den Computer. Ich hoffe, man kann das Foto des Zettels so gut bearbeiten, dass die Schrift lesbar ist. Wir werden es jedenfalls abdrucken. Und auch eines von denen, die Vesna vom Schuhrest im Asphalt gemacht hat. Was, wenn jemand auch Weis recycelt hat? Ich sollte ihn anrufen. Ein kurzes Interview, konkrete Fragen, konkrete Antworten. Keine weitschweifigen Überlegungen zu Terror und Krise. Ich habe seine Nummer eingespeichert. Es ist schon nach Mitternacht. Egal. Ausnahmefall. Ich wähle die Nummer. Er geht nicht dran. Soll ich mir Sorgen machen? Er wird schlafen. Mobilbox. Salbungsvoller Begrüßungstext: „Ich freue mich über jeden, der mit mir kommunizieren möchte, und entschuldige mich dafür, momentan nicht zur Verfügung zu stehen …“ Ich drücke die Beenden-Taste. Hat er das Mobiltelefon abgedreht und schläft? Hat er mir nicht erzählt, dass er selten vor zwei schlafen gehe, um die „Schwingungen der Nacht“ zu spüren? Wer kann wissen, wo Weis sonst stecken könnte? Die Verlegerin. Yom-Verlag. Wie heißt sie gleich? Der Verlagsname ist irgendwie von ihrem Namen abgeleitet … Moylen. Ida Moylen. Ich sehe im elektronischen Telefonbuch nach und gähne. Es gibt nur eine Ida Moylen in Wien. 3. Bezirk. Gar nicht weit von hier. Vielleicht besser, Vesna fährt hin. Bevor die Polizei ihre Verbindung zu Weis registriert.
Ich arbeite die Hauptgeschichte so um, dass die verschwundene Industriellengattin vorkommt. Ich behaupte nichts, ich stelle Fragen: Hat sie auf der Gala zu viel gesehen? Warum habe ich den Zettel auf dem Schreibtisch von Weis gefunden? Warum war der Zettel kurze Zeit später verschwunden? Ich habe keine Skrupel, zu schreiben, wo ich den Zettel gefunden habe. Weis prahlt damit, dass seine Tür immer offen stehe. Das hat er jetzt davon. Vesna am Telefon. Nein, die Spurensicherer hätten wohl noch nichts Wichtiges gefunden, das hätte sie gemerkt. Ja, natürlich fahre sie zur Verlegerin. Mal sehen, ob die nach Mitternacht aufmacht. Vielleicht gut, sie
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