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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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müde zu überraschen. Und was, wenn Weis auch verschwunden ist? „Ich werde sie fragen. Wir werden sehen. Ich melde mich.“ Zack, und aus ist das Gespräch. Das ist so Vesnas Art.
    Ich habe Oskar gesagt, dass es heute spät werden kann. Aber so spät? Sollte er schon schlafen, will ich ihn nicht wecken. Ich schicke eine SMS. Nur damit er sich keine Sorgen macht. Wer weiß, ob er sich Sorgen macht? Vielleicht ist er mit Carmen unterwegs und zeigt ihr das nächtliche Wien? Wir waren schon lange nicht mehr aus. Zu wenig Zeit. Terminkoordinationsprobleme. Zu müde. Das sollte sich wieder ändern. Ich hatte immer Angst davor, dass sich eine Beziehung im Alltag abnützt. Ist es bei uns schön langsam so weit? Nein. Ist es nicht. Aber es ist besser, einiges dafür zu tun, dass es erst gar nicht dazu kommt.
    Weiter mit der Reportage. Jetzt kann ich unseren Lesern doch einiges an Neuem bieten. Ich zitiere den Recyclingmann mit dem Satz, dass es schon möglich sei, eine Leiche zusammen mit dem Asphalt zu zerkleinern. Nahezu rückstandsfrei. Ich zitiere Dipl.-Ing. Dr. Dasch, der zugibt mit seiner Frau gestritten zu haben. Und dass es dabei um Weis und sein Zentrum und seine Methoden gegangen sei. Halb zwei. Ich beschreibe, wie Franziska Dasch auf der Buchgala kurz nach Weis aufgestanden und ihm womöglich gefolgt ist. Ich bin beinahe fertig. Ein paar Stunden Schlaf. Um acht soll ich wieder hier sein, Termin mit dem Chefredakteur. Je früher mein Text fertig ist, desto besser.
    Telefon. Vesna. Hat sie Neues? Sie keucht. „Habe vor Wohnhaus von Moylen gewartet. In ihren Fenstern war Licht. Habe zwei Leute gesehen, für mehr war es zu weit weg. Ich will gerade zum Eingang und anläuten, da kommt Weis heraus, ist er in großer Eile. Ich drücke mich in eine dunkle Ecke, er sieht mich nicht. Ich will ihm nach. Aber er hat Taxi bestellt. Wartet ums Eck, er fährt davon. Mein Auto ist zu weit weg.“
    Jedenfalls hat man ihn nicht recycelt. „Die Polizei wird ihn angerufen haben.“
    „Jetzt erst?“, fragt Vesna. „Entweder gleich oder erst morgen. Jedenfalls scheint das mit Verhältnis der beiden zu stimmen. Oder es gibt sonst einen Grund, warum sie mitten in der Nacht in ihrer Wohnung sind?“
    „Das letzte Kapitel“, überlege ich laut. „Es sollte schon fertig sein. Und ich sollte die Fotos liefern. Ich werde noch einmal probieren Weis zu erreichen.“ Und dann werden Vesna und ich schlafen gehen. Wer weiß, was der morgige Tag bringt. Ob es eine Tageszeitung gibt, die heute Nacht mutiert? Die meine Story schon früher hat? Man hat offenbar keine Leichenteile gefunden. Wie auch? In der Nacht, im Asphalt, den das Monster von tonnenschweren Brocken zu Kieselsteingröße zermalmt? Vielleicht ist Franziska Dasch einfach für einige Tage abgehauen, um ihrem Mann eins auszuwischen. Und der Zettel? Ihren Guru hat sie offensichtlich verehrt, dem wollte sie keinen Ärger machen. Oder es ist zwischen vorgestern und heute etwas passiert …
    Ich starre auf meinen Computerbildschirm. Weis tut so, als würde er alle Menschen lieben. Nur über Zerwolf hat er nichts Gutes gewusst. Was, wenn Zerwolf auch kein Heiliger ist und seinerseits Weis in Schwierigkeiten bringen will? Ihm traue ich zu, das intelligent einzufädeln. In gewissem Sinn, und wenn dabei nicht mehr zu Schaden kommt als ein teurer Turnschuh, würde mir das eigentlich gefallen. Ich bin zu müde, um aufzustehen und heimzugehen. Was würde Zerwolf zu allem sagen, wenn er Antwort gäbe? Ich öffne ein leeres E-Mail-Formular. Ich beschreibe, was heute Abend passiert ist. Ich schicke die Mail an Zerwolf. Warum? Kann ich auch nicht so genau sagen. Ich suche irgendeinen Hebel, irgendeinen Punkt, an dem ich ansetzen kann, um weiterzukommen. Und den will ich ausgerechnet bei einem Philosophen finden, der nicht spricht? Ich seufze und stehe auf. Zeit, heimzugehen. Nein. Ich habe mein Auto da. Von einer Tiefgarage in die andere? Zu müde. Zu beklemmend. Ich werde das Auto in der Tiefgarage lassen und mir ein Taxi rufen. Ich wähle die Nummer des Taxidienstes und schaue aus Gewohnheit noch einmal auf den Bildschirm. Mail. Zerwolf. Der Text ist kurz: „Kommen Sie bitte. Zerwolf.“
    „Was ist? Hallo!“, schreit eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Ach ja. Taxivermittlung. Ich bitte sie, so rasch als möglich einen Wagen zum „Magazin“ zu schicken.
    Ich stehe vor der Eingangstür des Hauses, in dem Zerwolf wohnt. Gar nicht so lange her, dass ich hier geläutet habe. Und was,

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