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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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ein schweigender Philosoph, der in der Nacht spricht.
    Ich bin noch vor acht in der Redaktion. Seltsamerweise fühle ich mich frisch, richtig munter. Ich habe unterwegs am Zeitungsstand die Schlagzeilen überflogen. Keine Tageszeitung hat es für notwendig befunden, wegen der verschwundenen Franziska Dasch noch spät in der Nacht etwas zu ändern. Auch in den Morgennachrichten von Ö1 ist die Jüngerin von Weis nicht vorgekommen. Ich mache das nicht oft, aber heute habe ich auf dem Weg in die Redaktion mein kleines digitales Radio aufgedreht. Sehr lange ist Franziska Dasch ja auch noch nicht verschwunden. Und die Polizei hat den Journalisten offenbar nicht erzählt, warum man auf die Idee gekommen ist, sie könnte gemeinsam mit Tonnen von Asphalt einem radikalen Recycling unterzogen worden sein. Gut so.
    Ich überfliege, was ich gestern Nacht geschrieben habe, bessere ein paar Flüchtigkeitsfehler aus. Aber im Großen und Ganzen passt es. Ewig schade, dass ich nichts von meinem nächtlichen Treffen mit Zerwolf schreiben darf. Wobei, wenn ich es mir genau überlege: Die Tatsache, dass er gesprochen hat, war eigentlich das Aufregendste an unserem Treffen. Zumindest vom Neuigkeitswert her. Natürlich waren viele kluge Sätze dabei, zumindest haben sie für mich in der Nacht so geklungen. Nichts ist aufgezeichnet. Alles flüchtig, vorbei.
    Ich rufe im Büro des Chefredakteurs an. Er geht selbst an den Apparat. Am Tag nach dem offiziellen Redaktionsschluss sind die Sekretärinnen nicht so früh da. Auch das Großraumbüro ist noch spärlich besetzt. Ich schicke Klaus die neuen Texte, an der Titelseite kann nichts mehr geändert werden, ist auch nicht notwendig. Zwei Agenturmeldungen gibt es über das Verschwinden von Franziska Dasch. Aber keine stellt einen Zusammenhang mit Guru Weis her, geschweige denn mit der Bombendrohung. Noch nicht. Sehr gut. Halbleiter Dasch hat sich geweigert, mit Journalisten zu sprechen. Er ließ durch die Presseabteilung seines Unternehmens ausrichten, er sei überzeugt, dass seine Frau bald wieder zu Hause sein werde. Wie gut kennt er sie? Vielleicht hat er sie früher gut gekannt, und jetzt … Menschen verändern sich. Eine Entführung schließt er offensichtlich aus. – Daran habe ich noch gar nicht gedacht.
    Klaus ist mit dem Text einverstanden. „Glaubst du wirklich, dass zwischen dem Verschwinden der Frau und der Bombendrohung auf der Buchgala ein Zusammenhang besteht?“
    „Ich weiß es nicht. Aber ich kann es mir vorstellen“, antworte ich.
    „Hast du Weis erreicht?“
    „Ich habe es versucht. Das habe ich ja auch geschrieben. Wenn er sich nicht meldet, ist er selbst schuld. Er war jedenfalls gestern Nacht in Wien. Was ich nicht geschrieben habe: Er war bei seiner Verlegerin Ida Moylen. Vesna hat ihn gesehen.“
    „Vielleicht solltest du mit der Verlegerin sprechen.“
    „Ja“, murmle ich.
    Ich sehe auf das Display meines Mobiltelefons. Weis hat sich noch immer nicht gemeldet. Klaus gähnt hörbar. Er ist kein begeisterter Frühaufsteher. Geht mir sehr ähnlich.
    „Total früh“, sage ich.
    „Ja“, antwortet mein Chefredakteur, „bis später.“
    Der Einzige in unserer Redaktion, der dem frühen Morgen etwas abgewinnen kann, rollt zehn Minuten später zu meinem Schreibtisch. Ich muss eingedöst sein, ich schrecke hoch.
    „Glaubst du nicht, dass du übertreibst? Deine Geschichte ist reichlich spekulativ“, sagt Droch. „Vielleicht ist Franziska Dasch dahintergekommen, dass Weis mit Moylen ein Verhältnis hat. Sie wollte sich rächen und …“
    Ich versuche mich zu konzentrieren. „Ich hab von dem Verhältnis doch nichts geschrieben, oder?“
    Droch lächelt. „So genau hast du deinen Text im Kopf? Nein, hast du nicht. Aber du hast mir erzählt, dass du so etwas vermutest. Was, wenn sie also dahintergekommen ist? Die sind ja alle verliebt in ihren Guru. Und überspannt außerdem. Sie schreibt eine mysteriöse Meldung auf einen Zettel, zerlegt einen ihrer Schuhe, sie scheint ja genug davon zu haben, und macht sich aus dem Staub, um diesem Weis und gleich auch ihrem Mann eins auszuwischen. Geld dürfte kein Problem sein. Ein netter Urlaub auf den Seychellen, während da alle nach ihr suchen. Und Weis und ihr Mann unter Verdacht stehen und jede Menge Ärger am Hals haben. Dann kommt sie zurück und stellt sich ganz unschuldig. Sie habe einfach einmal weg gewollt von all dem Trubel und allen Anforderungen, die das moderne Leben an eine arme höhere Hausfrau

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