Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
legt er auf. Was war das jetzt? Ein guter Rat? Ich würde es für eine Drohung halten.
Natascha. Wer könnte wissen, wo Natascha ist? Klingt nach einer jungen Russin. Nur noch eine halbe Stunde bis zur Deadline. Ich arbeite das ein, was mir Weis gesagt hat. Kein Problem, ich schreibe, was ich gehört habe, und er darf sagen, wie es aus seiner Sicht gewesen ist. Ein ruhiges Gespräch. Aber sicher doch.
Wortgefecht im Großraumbüro, dort, wo unsere Empfangssekretärin sitzt. Am Tag nach dem offiziellen Redaktionsschluss sind nicht viele Schreibtische besetzt, durchatmen bis zur nächsten Story. Ich spähe nach vorne. Die Sekretärin deutet zu mir. Ich sehe, wie sie nach unten greift. Wir haben einen Alarmknopf. Für alle Fälle. Aber keine Sirene geht los, sondern mein Festnetzapparat läutet.
„Mira“, sagt die Sekretärin. „Da ist ein Herr Dasch. Er will mit dir reden, aber er weigert sich, mit dir allein zu reden. Kennst du ihn?“
„Ich kenne ihn.“ „Natascha“ hat in letzter Sekunde doch noch gewirkt. „Ist Droch da? Den wird Dasch wohl akzeptieren.“
Einige Minuten später sitzen wir uns in Drochs Büro gegenüber. Droch im Rollstuhl. Dasch und ich auf unbequemen Bürostühlen. Droch hat die unbequemsten Bürostühle der ganzen Redaktion. Wahrscheinlich, weil er selbst nie darauf sitzen muss. Dasch redet nicht mit mir, nur mit Droch. Und er wiederholt, dass er mich klagen werde.
„Das Gespräch hat stattgefunden, da dürfte es schwer sein mit einer Klage“, sagt Droch so liebenswürdig wie möglich. Wer ihn kennt, weiß allerdings trotzdem, dass ihm dieser Schmalspurindustriekapitän auf die Nerven geht.
„Es ist also nicht mehr möglich, privat mit dem … mit einem Berater meiner Frau zu sprechen? Was ist das? Ein Überwachungsstaat?“
„Es gibt einen kleinen Schönheitsfehler, nur falls Sie ihn vergessen haben“, mische ich mich ein. „Ihre Frau ist verschwunden. Und im Zentrum ihres Gurus haben wir einen seltsamen Zettel gefunden.“
Dasch sieht mich wütend an und sagt dann wieder zu Droch: „Ich mache mir selbstverständlich große Sorgen um meine Frau. Sonst hätte ich auch kaum die hohe Belohnung ausgesetzt. Ich wollte von diesem Weis wissen, wohin sie verschwunden sein kann. Immerhin hatte er … engen Kontakt zu ihr.“
„Und: Hat er es Ihnen gesagt?“, fragt Droch.
„Er hat mich beschimpft und mir unterstellt, ich hätte etwas mit dem Verschwinden meiner Frau zu tun. Ich werde ihn klagen …“
„Wen jetzt?“, werfe ich ein.
Dasch sieht mich an, als wäre ich ein widerliches Insekt.
Droch grinst ein wenig, gerade so, dass ich es sehen kann. „Wir können also schreiben, dass Sie sich mit Weis getroffen haben, um mehr über das Verschwinden Ihrer Frau herauszufinden. Und dieses Gespräch ist dann eben … auf einen gewissen höheren Geräuschpegel eskaliert. Oder?“
„Was wirklich nicht an mir gelegen ist. Können Sie sich vorstellen, dass Ihnen jemand vorwirft, die eigene Frau auf dem Gewissen zu haben?“
Ich nicke, als ob ich mir das vorstellen könnte. Schön langsam geht es mir auf die Nerven, dass die beiden an mir vorbeireden, als wäre ich Luft. Ich sage: „Ich hoffe, Natascha kann Sie trösten.“
Für einen Moment habe ich das Gefühl, Dasch springt mich an. Aber dann lockern sich seine geballten Fäuste wieder und er lächelt. „In gewisser Weise kann sie mich sicher trösten.“
Jetzt sehe ich ihn irritiert an. Und Droch weiß ohnehin nicht, wovon die Rede ist. Dasch erklärt Droch: „‚Natascha‘ ist ein neues Halbleitermodell. Wir geben allen unseren wichtigen Versuchsanordnungen Namen. ‚Natascha‘ könnte uns ausgezeichnete Aufträge bringen. Es kann schneller und kostengünstiger produziert werden. Aber bis es so weit ist, braucht es noch etwas Entwicklungszeit. Und diese Zeit ist heute kostbarer denn je. Sie verstehen? Sie werden dafür sorgen, dass diese Redakteurin schreibt, was ich über mein Treffen mit diesem … Schaumschläger gesagt habe? Und übrigens: Ich weiß nicht, wie sie von ‚Natascha‘ erfahren hat. Fällt eigentlich unter Betriebsspionage. Sollte ich davon etwas lesen, wird das ‚Magazin‘ gewaltige Probleme haben. Da geht es um einen Vermögenswert von mehreren Millionen Euro.“
Ich nicke. „Da ist Ihnen ‚Natascha‘ im Vergleich zu Ihrer verschwundenen Frau ja wirklich wertvoll.“
Droch sieht mich genervt an.
Ich hake nach. „Soviel ich weiß, hat die Firma den Eltern Ihrer Frau gehört. Kann es sein,
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