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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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eines gewissen Existenzialismus?
    Ich habe nicht aufgepasst. Ich bin automatisch in die Richtung meiner alten Wohnung abgebogen. Wäre vielleicht gar nicht schlecht, nachzusehen, was Carmen so macht. Sie hat sich schon wieder seit zwei Tagen nicht bei uns gemeldet. Oder sind es schon drei? Besonders wichtig sind wir ihr wohl nicht. Nein. Ich habe keine Lust, sie zu sehen. Ich muss nachdenken. Ich kann sie anrufen. Ich fahre zu Oskars Wohnung. Kann es sein, dass ein Philosoph zum Terroristen wird? Die Serben hatten einen Psychiater als Massenmörder. Warum auch nicht? Ich biege ums Eck. Wenn Zerwolf … Nein. Verdammt. Ein Auto. Ich schreie auf, ich trete auf die Bremse, ich kralle mich am Lenkrad fest, ich schlingere, Verkehrszeichen und Straße und ein rotes Auto und Himmel und mein Armaturenbrett und eine Frau mit schreckgeweiteten Augen, sie springt weg und ein Knall, ein Prall, der Geruch nach Gummi und heißem Metall und nichts. Stille. Ich atme. Gut. Es tut weh. Macht nichts. Vorsichtig atmen. Das ist kein Herzinfarkt. Gut. Mir tut die Brust weh. Das ist der Gurt. Ich versuche den Kopf zu bewegen. Es geht. Gut. Ich sehe nach draußen. Münder und Augen. Da muss ein anderes Auto sein. Ich drehe den Kopf weiter. Das geht. Nur meine Brust schmerzt. Da ist kein anderes Auto. Die Straße ist seltsam leer. Da ist überhaupt kein Auto, nur meines. Und die Münder und die Augen. Zwei Augen jetzt ganz dicht an meiner Scheibe. Der Mund sagt etwas. Ich kann es nicht verstehen. Ich versuche die Scheibe hinunterzulassen. Geht nicht. Natürlich nicht. Der Motor läuft ja nicht mehr. Ich muss ihn starten. Ich drehe den Zündschlüssel. Heulen. Dann wieder Stille. Kaputt. Da reißt einer an meiner Tür. Wie in Zeitlupe öffne ich den Gurt. Das geht. Ganz normal. Als wäre nichts gewesen. Er soll aufhören zu rütteln. Ich klettere auf den Beifahrersitz, dort kann ich vielleicht hinaus. Ich zerre am Türgriff. Ohrenbetäubendes Heulen. Die Alarmanlage. Ich schnelle vor Schreck mit dem Kopf gegen die Autodecke, reiße die Beifahrertür auf und stehe draußen. Auf der Straße. Neben mir mein heulendes Auto. Die Alarmanlage funktioniert noch. Mein Auto mag es nicht, wenn fremde Menschen an seinen Türen rütteln.
    „Sind Sie in Ordnung?“, sagt jemand. Mann. Die Augen von jenseits der Scheibe, jetzt ohne Scheibe zwischen uns. Mittelgroß. Gegen sechzig. Braune Cordjacke. Kurze Haare, braunweißgrau.
    Wann hört das Auto wieder auf zu heulen? Ich muss zum Schlüssel. Zusperren. Aufsperren. Dann hört es auf. Ich klettere zurück ins Auto. Irgendjemand will mich festhalten. „Nein“, sage ich dumpf. Schlüssel aus dem Zündschloss. Ich und Schlüssel raus aus dem Auto. Zusperren. Aufsperren. Ruhe.
    „Wo ist das andere Auto?“, frage ich und wundere mich, dass ich mich ganz normal anhöre.
    „Davongefahren“, sagt der Mann. „Einfach davongefahren.“
    Hupen. Ich schrecke zusammen, drehe mich um. Knapp hinter meinem Auto steht ein beiger Mercedes, der Mann am Steuer ist sichtlich ungehalten. Ist ihm nicht aufgefallen, dass da ein Unfall war? Er will nichts weiter als weiter.
    „Ich habe die Autonummer“, sagt der ältere Mann neben mir und ich denke für einen Moment an die Nummer dieses Mercedes mit dem ungeduldigen Fahrer. „Ich habe sie mir natürlich sofort aufgeschrieben“, ergänzt er und hält mir die Rückseite eines Arztrezepts hin. Wiener Kennzeichen. „Es gibt noch ein paar andere Zeugen. Ich habe die Polizei schon verständigt.“ Er wartet auf Lob. Vielleicht hat er schon Jahre auf eine Situation wie diese gewartet. Buchhalter. Sachbearbeiter. Unter Umständen Beamter.
    Ich versuche ein Lächeln. „Danke“, sage ich.
    „Keine Ursache“, erwidert er. „Sind Sie in Ordnung?“
    Ich nicke.
    „Ich habe natürlich einen Krankenwagen bestellt.“
    Ich bin zu erledigt, um zu protestieren. Ich versuche mich zu konzentrieren. Ich bin um die Ecke gebogen. Bin ich zu weit in die Fahrbahnmitte gekommen? Nein. Sicher nicht. Oder doch? Mein Wagen. Der, den ich so mag. Der zuverlässige Honda. Der Allradantrieb hat mich nicht vor dem Zusammenprall bewahrt. Wie auch? Jedenfalls bin ich relativ unversehrt ausgestiegen. Fahrerflucht. Ist doch widersinnig in dieser belebten Straße. Viel zu viele Zeugen. Vielleicht eine Panikreaktion. Dann hat er sich wohl schon gestellt. Ich war nicht aufmerksam genug. Woran habe ich gedacht? Ich kann mich nicht erinnern. Polizeisirene. Noch eine Sirene. Der ältliche Buchhaltertyp und

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