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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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ich stehen inzwischen am Straßenrand, ein Grüppchen Menschen beobachtet uns aufmerksam, es scheint sich seit dem Unfall nicht vom Fleck gerührt zu haben. Augen und Münder. Inzwischen kurven die Autos an meinem Honda vorbei. Polizeiwagen. Rettungswagen. Der blonde Sanitäter ist etwas schneller als der Polizeibeamte.
    „Das ist sie“, sagt mein Beschützer stolz, als wäre ich ein interessantes Stück Beute.
    „Kommen Sie mit“, sagt der Sanitäter. „Wie geht es Ihnen? Wir machen ein paar kleine Checks.“
    „Wir brauchen eine Unfallaufnahme“, sagt der Polizist bestimmt.
    Für einen Moment sieht es so aus, als würden sich die beiden in die Haare kriegen. Nett, so wichtig zu sein.
    „Haben Sie schwerwiegende Verletzungen?“, fragt mich der Polizist.
    Wenn es so wäre, würde ich wohl kaum stehen. Ich sage es nicht, sondern schüttle bloß den Kopf.
    „Um das festzustellen, bin ich da“, erwidert der Sanitäter.
    Sie sollen reden, was sie wollen. Ich kann mich an das Gesicht des Mannes im roten Auto nicht erinnern. Außerdem sehe ich auf die Entfernung nicht so gut. Sollte ich lieber nicht der Polizei sagen. Ein Mann war es. Er hat eine Mütze getragen. Dabei ist es Mai. Und überdurchschnittlich warm.
    Die beiden Freunde und Helfer starren mich an. Offenbar ist meine Entscheidung gefragt.
    „Mir fehlt nichts“, sage ich zum Sanitäter.
    „Ich warte trotzdem“, erwidert er.
    Ich sitze auf dem Beifahrersitz des Polizeiwagens. Es fällt mir schwer, mich zum Polizeibeamten zu drehen. Mein Brustkorb schmerzt immer stärker. Außerdem pocht etwas in meiner rechten Schläfe. Ich greife hinauf. Kein Blut. Aber das Ganze ist äußerst druckempfindlich. Ach ja, ich bin an die Autodecke gekracht, als die Alarmanlage losging. Kollateralschaden eines Unfalls. Ich habe alles erzählt, was ich weiß. Der Lenker des anderen Autos hat sich noch nicht gemeldet.
    „Sie stehen etwas weit in der Straßenmitte“, sagt der Polizeibeamte. „Wir werden das natürlich vermessen.“
    „Er ist direkt auf mich zugekommen. Und viel zu schnell“, murmle ich. Ich kann mich erinnern. Unausweichlich. Plötzlich da.
    „Und Sie haben ihn nicht erkennen können?“
    Ich schüttle den Kopf. Sollte ich nicht tun, das Gehirn scheint aus der Verankerung gerissen zu sein und schwingt mit jeder Bewegung mit. „Verständigen Sie mich, wenn der Mann gefunden wurde?“
    Der Polizist nickt. „Und natürlich auch die Versicherung. Sie bekommen meine Protokolle vom Unfall. Ich werde noch einige Zeugen befragen.“
    „Ich glaube nicht, dass ich zu weit in der Mitte war“, sage ich.
    Der Polizist scheint zu überlegen. „Fahrerflucht wiegt jedenfalls schwer. Und er scheint tatsächlich sehr schnell unterwegs gewesen zu sein, wenn man nach den Bremsspuren geht. Er dürfte Sie regelrecht abgeschossen haben.“
    Und was, wenn das Ganze kein Unfall war? Ich bedanke mich und steige vorsichtig aus.
    „Sie sollten doch zum Sanitäter“, ruft mir der Polizist nach.
    Wichtiger ist mir, mit denen, die den Unfall beobachtet haben, zu reden. Drei sind brav stehen geblieben und warten. Ich gehe auf sie zu. Ich sehe zum Polizeiwagen zurück. Neben dem Fahrzeug steht der Mann mit der braunen Cordjacke. Erwartungsvoll. Bereit. Der Beamte schreibt etwas auf einen Block. Ich sehe mir die restlichen drei Zeugen an. Eine Frau mit Einkaufstasche. Tasche kariert. Frau geblümt und über sechzig. Ein Mann mit Stock. Deutlich älter. Mann um die vierzig, leicht übergewichtig, Jeans. Ich entscheide mich für ihn. „Woher ist das Auto gekommen? Hat es Gas gegeben? Hat jemand den Fahrer gesehen?“
    Der Mann schaut mich ratlos an und zuckt mit den Schultern. „Es ging alles so schnell.“
    Die geblümte Frau nickt. „Es war so: Ich habe das rote Auto nicht gesehen, ich war in die andere Richtung unterwegs, aber es ist ganz klar, dass es Vollgas gegeben hat. Die Reifen sind sogar durchgedreht, wie im Film. Und Sie sind ums Eck gekommen und zack.“
    „Sie war schon ums Eck, mindestens fünf Meter“, berichtigt der alte Mann mit dem Stock. „Und trotzdem ist der BMW in das Auto gekracht.“
    War ich schon um die Ecke? Der Aufprall hat mein Fahrzeug verschoben. Ich kann es nicht sagen. Das hieße, der Lenker müsste mich gesehen haben. „Hat er gebremst?“, frage ich.
    „Im letzten Moment“, erklärt der alte Mann.
    „Aber viel zu spät“, ergänzt die geblümte Frau. „Wir werden für Sie aussagen. Geht es Ihnen gut?“
    „Danke“, sage ich

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