Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
realisierte, was am Abend zuvor geschehen war und dass Till nicht neben ihr lag, fiel ihr ein, dass Wochenende war. Erleichtert ließ sie sich in ihre Kissen fallen und schaute an die Decke. Sie spürte, dass Till sie intensiv geliebt hatte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, was augenblicklich verschwand, als ihr bewusst wurde, worüber sie mit ihm gesprochen hatte.
Ruckartig drehte sie den Kopf zur Seite und schaute auf die leere Seite in ihrem Bett, in der eigentlich Till hätte liegen sollen. Ebenso ruckartig richtete sie sich auf und sah sich um. Tills Kleidung, die er in der Nacht auf den Boden geschmissen hatte, war verschwunden. Eine Schublade ihrer Kommode war herausgezogen. Grundsätzlich schloss sie alle Türen der Schränke und würde niemals eine Schublade geöffnet zurücklassen.
Sie ahnte, was das zu bedeuten hatte. Langsam und mit klopfendem Herzen krabbelte sie aus dem Bett und schlich zur Kommode, als wäre es ein fieses Monster, was jede Sekunde angreifen würde. Sie blieb mit respektvollem Abstand stehen und reckte ihren Hals, um in die Schublade sehen zu können.
In dem Moment, als sie sah, was sie nicht wissen wollte, setzte sie sich auf den Fußboden. Ihr Magen rebellierte. Kurz blieb sie sitzen, um sich zu sammeln und kroch dann auf allen vieren zu ihrem Kleiderschrank. Mühsam und mit großer Kraftanstrengung stand sie auf. Vor dem Schrank stehend, streckte sie eine Hand aus und holte tief Luft. Sie wusste was sie vorfinden würde und war dem nicht gewachsen.
Dennoch zog sie beherzt die Tür auf. Alle seine Sachen waren verschwunden. Krampfhaft zog sich ihr Herz zusammen und ihr Magen machte Verrenkungen, die sie in die Knie zwangen. Nach Luft schnappend, hielt sie sich ihren Bauch vor Schmerz. Wie in einem Schraubstock wurde ihr Herz zerquetscht. Sie glaubte, innerlich verbluten zu müssen.
Wie hatte er es angestellt, alles mitzunehmen, ohne, dass sie davon wach geworden war? Till hatte neben ihr gelegen und beobachtet, wie ihr Atem immer gleichmäßiger wurde. Dem Alkohol hatte er es zu verdanken, dass sie in einen tiefen Schlaf fiel, der es ihm ermöglichte sich aus der Küche einige Tüten zu nehmen und seine Habe darin zu verstauen.
Wie in Trance verließ sie das Schlafzimmer, um auf die Toilette zu gehen und sich die Zähne zu putzen. Mit der Bürste im Mund sah sie sich im Spiegel an. Ihre Haare waren zerzaust, sie sah aus, wie immer, wenn sie von ihm geliebt worden war. Und doch konnte man um ihre Augen eine Veränderung sehen.
Verrieten sie sonst unmissverständlich, dass Julia geliebt worden war, wirkten sie in diesem Moment wie aus Glas. Keine Emotion war in ihnen zu sehen. Stumpf sah sie sich an und konnte sich doch nicht wiedererkennen.
Ihre Augen wanderten durch das Bad und registrierten, dass auch hier alle seine Sachen fehlten. Doch in ihrem Inneren war sie wie tot. Sie nahm es zur Kenntnis und wusste nicht, wie sie damit umzugehen hatte. So etwas war bisher noch nie vorgekommen. Was daran lag, dass sie bisher noch nie geliebt hatte.
Sie wusste nicht, was Liebeskummer war. Kein Mann hatte sie zuvor verlassen, da sie sich vor Ulli nie auf eine Beziehung eingelassen hatte.
Nachdem sie sich geduscht, eingecremt und angezogen hatte, ging sie den Flur entlang zur Wohnungstür. Ihr Blick streifte die kleine Kommode, auf der sie grundsätzlich ihre Schlüssel ablegte. Sie war wenig verwundert, als sie ein Paar Schlüssel sah, die sie Till zu ihrer Wohnung gegeben hatte. Sie griff nach ihrem Schlüsselbund, um festzustellen, dass er seine davon genommen hatte.
Immer noch vollkommen emotionslos verließ sie ihre Wohnung und klingelte an der gegenüberliegenden Tür.
„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Gitte.
„Ich bin krank und leg mich jetzt ins Bett. Könntest du bitte einfach ab und zu mal rüber kommen und nach mir sehen?“
„Selbstverständlich. Was hast du? Du siehst wirklich schlimm aus.“
„Wahrscheinlich nur eine Erkältung oder so, keine Ahnung. Mir geht’s nicht gut.“
„Wo ist Till? Der sollte sich um dich kümmern.“
„Er ist verhindert.“
„Also ehrlich, Julia, du bist krank, da sollte er alles stehen und liegen lassen und …“
„Macht doch nichts, ich leg mich jetzt hin.“
„Ich seh’ dann später nach dir. Soll ich Steffen rüber schicken, der kann ja mal schaun, was er für dich tun kann.“
„Danke, das ist lieb, muss aber nicht sein. Ich brauch’ wohl einfach nur ein bisschen Schlaf.“
Zwei Stunden später
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