Leben macht Sinn
seinen eigenen Sinn zu finden. Mut äußert sich auf sämtlichen Sinnetagen: sich nicht von anderen sagen zu lassen, was man zu denken und zu fühlen hat; selbst beurteilen, wie man seinLeben gestaltet, wie man Kontakt, Begegnung und Beziehung pflegt, wie man sich kleidet, welche Sprachen man lernt, wann man sich wehrt oder innehält, worüber man lacht oder weint.
Das Geheimnis der Menschen, die imstande sind, ihren Sinnhunger auch konkret umzusetzen, ist eigentlich kein Geheimnis, sondern die schlichte Tatsache: Sie können es. Sie können es, weil sie ihre Wahrnehmung ernst nehmen und den Mut aufbringen, ihr zu folgen. Auf eine Kurzformel gebracht: Sie übernehmen Verantwortung für sich selbst.
Sinn-Kompetenz
Von Hermann Hesse stammt der Ausspruch: »Das Leben hat soviel Sinn, wie wir ihm zu geben vermögen.« Diese Fähigkeit und Bereitschaft ist eine Kunstfertigkeit, die wie jede andere erworben und geübt werden kann. Peter Bieri ortet diese Fähigkeit im »Gravitationszentrum der eigenen Emotionen«. Eine Metapher, die man erst einmal auf sich wirken lassen muss. Zunächst geht es darum, sich selbst zu verstehen versuchen und den Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen nachzugehen, die einen in eine bestimmte Richtung lenken. Aus Gedanken, Gefühlen werden Sehnsüchte, Wünsche, Pläne, denen man nachgeben oder von denen man sich distanzieren kann. Wir sind also nicht deren Spielbälle, sondern wir haben einen inneren Radar, nämlich unseren eigenen Willen, der unser Handeln, unsere Entschlüsse ausrichtet und mitbestimmt. Eine Möglichkeit, sich auf die Spur zu kommen, wäre also ganz schlicht: Erkenne dich an deinen Handlungen! Reflektiere, was du tust! Zumindest liefert die Besinnung auf die eigenen Handlungen einen Kompass, der anzeigt: Stimmt mein Handeln mit dem überein, was Sinn in mein Leben bringt? Bin ich einverstanden mitdem, was ich tue? Jeder hat einen intuitiven Sinn, ob das eigene Handeln dem entspricht, was Sinn macht, welche Werte, Ziele erstrebenswert sind. Folglich hat jeder auch die Kapazität zu spüren, wenn Unstimmiges, Ungereimtes, Dissonantes auftaucht.
Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist die sogenannte »Aktionitis«. Man stopft sich mit lauter künstlichen Aktivitäten voll, bis man schließlich vor lauter »Besinnungslosigkeit« dort ist, wo man niemals sein wollte und merkt, dass man sich am falschen Ort gesucht hat. Ein Klient sagte es drastisch: »Ich tue genau das, was ich am meisten hasse!« Oder ein anderer: »Meine Ehe ist vor die Hunde gegangen, meine Kinder behandeln mich wie einen Bekannten, und ich ersticke im Stress. Ich habe zwar viel geschafft, aber genau das Gegenteil von dem erreicht, was ich mir gewünscht hatte!«
Interessant ist, dass Kinder viel eher bereit sind, ihre Weltsicht zu ändern, nicht nur weil sie spontan, impulsiv und unreif sind, sondern einfach weil ihr Gehirn noch plastischer, formbarer ist. Während wir Erwachsenen dazu neigen, an unseren Überzeugungen festzuhalten, auch wenn die Tatsachen dagegen sprechen. Der Psychologe Leon Festinger, der den Begriff »kognitive Dissonanz« prägte, entdeckte schon in den fünfziger Jahren, zu welch erstaunlicher mentaler Gymnastik Erwachsene in der Lage sind, um ihre einmal gefassten Meinungen zu rechtfertigen, selbst wenn objektive Tatsachen dagegen sprechen. Menschen bemühen sich, ihre Wahrnehmungen und Annahmen mit ihrem individuellen Selbstbild in Einklang zu bringen. Sie versuchen damit, psychologische Harmonie herzustellen.
Ein ganz normales und vertrautes Beispiel ist ein Schokoladensüchtiger »Schokoholiker«. Er könnte Dissonanzempfinden, weil er einerseits die Schokolade genießt und andererseits weiß, dass sie seiner Gesundheit und seiner Figur nicht bekommt. Er versucht nun diese Dissonanz auszubalancieren, indem er die gesundheitlichen oder figürlichen Folgen als unerheblich einstuft, oder indem er auf eine bittere Schokolade umstellt. Oder er überlegt sich eine eigene Theorie, indem er den therapeutischen Effekt der Schokolade auf seine Verstimmungen in den Vordergrund stellt. In jedem Fall werden innere Einstellungen und Verhalten neu aufeinander abgestimmt, um wieder innere Harmonie herzustellen.
Auch die populären Sentenzen: »Ich muss meinen Arzt wechseln, weil er meinte, ich solle weniger trinken«, oder: »Mein Arzt meinte, ich solle viel trinken – zum Glück hat er nicht gesagt, was«, veranschaulichen, wie Menschen trotz besseren Wissens Fakten interpretieren, um weiter
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