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Leben macht Sinn

Leben macht Sinn

Titel: Leben macht Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
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Weg nach dem anderen, jeder Weg hält seine unvergleichlich eigenen Aussichten, Überraschungen und Abenteuer bereit, und auf jeder Wegstrecke nehmen wir die Mitreisenden, die Zeit, den Raum auf andere Weise wahr. Es gibt Wegstationen, da fragen wir sehr eindringlich nach dem Wozu und dem Wohin. Es gibt andere, da tritt diese Frage in den Hintergrund. Jeder Lebensweg hat seine eigenen Höhen und Tiefen, Lagerplätze und Plateaus, Durststrecken und Höhenflüge, deren schrittweise Erfahrung und Erkundung uns zu dem machen, der wir sind. Wir sind nicht allein auf unseren Wegen, und wenn, dann höchstens kurzfristig, oder weil wir uns verirrt haben. Wir sind unterwegs mit der Generation, mit der wir aufgebrochen sind, deren Reihen sich gegen Ende immer mehr ausdünnen werden. Die anderen Menschen tragen und beflügeln uns mit ihren Wünschen und ihrem Elan, sie fordern uns heraus und stecken uns an mit ihren Ängsten und Unsicherheiten. Unsere Wege kreuzen sich auch mit anderen Generationen – älteren und jüngeren. Diese Begegnungen sind bewegend, spannend, manchmal auch traurig, weil sie uns an vergangene Wegstrecken erinnern, und weil sie uns neue Landschaften eröffnen, von denen wir bisher nichts kannten – außer die Neugier und die Faszination, die ihr Einblick in uns erregen.
    Manche Wegabschnitte erzeugen ein Gefühl von Angekommensein. Wir wollen bleiben, rasten, zur Ruhe kommen, einfach da sein. Andere wollen wir ungeduldig verlassen, oder wir werden vertrieben, weil Neues in Angriff genommen werden will. Es gibt Hindernisse auf unseren Wegen, Anstrengungen, Mühen und manchmal auch harte, verbissene Kämpfe, die wir durchzustehen haben. Diese endlos scheinenden Strecken, wo uns dieVerzweiflung und die Übellaune heimsuchen, gehören genauso dazu wie die Phasen der Fülle, der Ernte und der Freigiebigkeit, die im Nu davonfliegen. Vielleicht gestalten sich die Richtungswechsel unauffällig, fast unmerklich, aber betrachtet man sie aus der Rückschau, so merkt man, wie sich ein eigensinniger, persönlicher Lebensweg über die Jahre abgezeichnet hat.
    Wie ein siamesischer Zwilling gehört auch das Schwere zur Weg-Erfahrung. Schlimme Erfahrungen, Leid, Verluste und Grenzsituationen können uns derart erschüttern, dass alles, was bisher galt, von einer Minute auf die andere unbedeutend erscheint. Wir würden alles hergeben oder tun, um wieder Halt und Trost zu gewinnen. Aber wir können nicht mehr ausweichen. Plötzlich stellt sich die Sinnfrage mit aller Eindringlichkeit. Wir realisieren: Sinn ist nicht da draußen und will einfach nur gefunden werden. Im Gegenteil: Sinn erfahren wir, indem wir ganz präsent sind und intensiv wahrnehmen, was gerade ist und das Erlebte, Erlittene als Erfahrung verarbeiten.
    Diese Erfahrung lässt sich ganz einfach und alltäglich im Blickkontakt machen. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal die Erfahrung gemacht, was der Unterschied ist zwischen einem flüchtigen Registrieren und einem Blick, bei dem man einander so intensiv wahrnimmt, dass beide plötzlich ein positives Gefühl von Stimmigkeit oder Übereinstimmung erleben. Es entsteht etwas, das jedes nüchterne Registrieren überschreitet – eine Erfahrung, die Sinn macht. Entscheidend ist, dass wir selbst dazu aktiv beitragen. Sinn erfährt man nicht als passiver Zuschauer, sondern in der Begegnung, indem man achtsam, konzentriert hinschaut.

Sinnschöpfer sind wir
    Einen schönen Satz habe ich bei Martin Luther gefunden: »Woran du nun dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, da ist eigentlich dein … ›Sinn‹.« Diese Antwort kehrt überraschend um, woran wir uns vielleicht bisher gewöhnt haben. Nämlich die Vorstellung, Sinn sei immer schon da und wir müssten einfach nur lernen, ihn zu entschlüsseln. Interessant ist es, ihn gerade umgekehrt zu denken. Wir machen das zu unserem Sinn, worauf wir unser Vertrauen setzen, was uns Bedeutung und Zusammenhang gibt, wofür es sich zu leben lohnt. Wir legen Sinn in die Dinge und bestimmen selbst, was für uns Sinn macht und was nicht. Immer spielen, wie Luther sagt, unser Herz, unsere Sehnsüchte, Wünsche, unsere Blickrichtung eine sinnstiftende Rolle. Wir können uns zu keinem Zeitpunkt völlig davon lösen. Nehmen wir ein ganz banales Beispiel: Stellen Sie sich eine Vase vor. Sie identifizieren sie: Das ist eine Vase. Nun finden Sie vielleicht, dass diese Vase besonders hübsch ist und Sie an einen Freund erinnert, der sie Ihnen geschenkt hat. Sie bewerten sie:

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