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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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vorangeht, ist noch nie Gutes und Großes vollbracht worden.« In den nächsten drei Monaten wird die NSB in der Hauptstadt rund 52   000 Plakate kleben, 400   000 Handzettel verteilen und 132 Massenveranstaltungen organisieren. Jeden Tag fährt ein Lautsprecherwagen durch die Straßen Amsterdams und dröhnt nationalsozialistische Parolen.
    Rund 74   000 Mitglieder hat die NSB im ganzen Land. Sie zu mobilisieren und bei der Stange zu halten, ist vor allem das Ziel der Kampagne. Die Funktionäre wissen, welche Verachtung die ganz große Mehrheit der Niederländer für die NSB empfindet. So weit das überhaupt möglich war, wurde dieses Negativ-Gefühl mit dem Jahresbeginn noch gesteigert. Eine neue Hilfspolizei, die »Landwacht«, trat in Amsterdam auf, gefördert vom deutschen Sicherheitschef Rauter, und mit Jagdgewehren ausgestattet. Die Männer, durchgängig NSB -Mitglieder, machten sich nach einem Zehn-Tage-Lehrgang brutal und skrupellos in der Hauptstadt an ihre Arbeit, zu der auch das Aufspüren von Untergetauchten gehörte.
    Die NSB -Funktionäre wussten, wie sehr Wohl – und Wehe – der Partei an die deutschen Besatzer gekettet war. Die Lage an den Fronten hatte offenbar etliche Mitglieder verunsichert. Das Engagement für die »Bewegung« ließ merklich nach. Aber nach dem »Kampf um Amsterdam« hieß es in einer Parteiversammlung, dass »der alte Amsterdamer Pioniergeist noch nicht ausgestorben ist«.
    Derweil versuchen Amsterdamer Café-Besitzer und Tanz-Orchester, die Offensive gegen »unerwünschte Musik«, die seit dem Jahresbeginn wieder zugenommen hat, zu unterlaufen. Das mit NSB lern besetzte Ministerium für Volksaufklärung und Künste verwarnt Tanz- und Unterhaltungsorchester, deren Klänge immer noch zu »amerikaans-negersch« klingen oder die »zu heiß« spielen. Aus den Cafés »Chez Dolores« und der »Stadt-Schänke« am Leidseplein melden Kontrolleure im April, mehrmals englische Musik gehört zu haben. Die beliebte »Hawaii-Musik«, in die man den Swing verpackt, wird den Orchestern nur noch als Zwischenmusik im Varieté oder Theater erlaubt, um »die degenerierende Wirkung auf den Musikgeschmack auf ein Minimum« zu reduzieren. Wer sich nicht daran hält, oder als Café-Besitzer ungeprüfte und damit unerlaubte Schallplatten auflegt, dem droht das Ministerium, die Konzession zu entziehen.
    Die Unterhaltung im Olympiastadion ist unkomplizierter und die Sportbegeisterung der Amsterdamer ungebrochen. Die Eintrittskarten für ein Fußballspiel am 30. April 1944 werden auf dem schwarzen Markt mit 120 Gulden plus drei Raucherkarten gehandelt. Beim Anstoß sind alle 38   000 Plätze besetzt und eine große Menge enttäuschter Fans muss draußen vor dem Marathon-Tor bleiben.
    Entschlossen und ungebrochen in ihrer Motivation gingen die Widerstandskämpfer ins neue Jahr. Überzeugt, dass der »Endkampf« um die Befreiung in diesem Jahr anstand, waren sie bereit, ihre Kräfte mehr denn je zu bündeln. Im Januar 1944 treffen sich im Koninginneweg 136, im bürgerlichen Willemsparkviertel südlich vom Vondelpark, unter strenger Geheimhaltung erstmals die Leiter der verschiedenen landesweiten Widerstandsorganisationen. Allen voran Wally van Hall, der »Bankier« vom »Nationalen Unterstützungsfonds« und Henk Dienske von der »Landesorganisation für Untergetauchte«, ein Pionier des Widerstands. Dienske, ein überzeugter Christ der strengen reformierten Richtung, hatte zusammen mit Walter Süskind und Studentengruppen auch die Rettung der jüdischen Kinder aus der Kinderkrippe gegenüber der Schouwburg organisiert.
    Der Gedanke an die Crèche in der Plantage Middenlaan klingt wie ein Raunen aus fernen Zeiten. Es ist eine Vergangenheit, an die in Amsterdam die menschenleeren Straßen in den Judenvierteln, die toten Häuser, die auch am Tag verdunkelten Fenster erinnern, hinter denen niemand mehr lebt. Offiziell ist Amsterdam seit Oktober 1943 »judenfrei«. Aber außer den Untergetauchten und den wenigen Inhabern einer »Sperre« hält sich mit Erlaubnis der Besatzer am Jahreswechsel 1943/1944 immer noch eine Gruppe jüdischer Amsterdamer in der Hauptstadt, die seit Beginn der Verfolgungen versucht, ihre Verfolger davon zu überzeugen, dass sie keine Juden sind. Doch im Frühjahr 1944 kommt die Geschichte der portugiesischen Juden an ein dramatisches, schmerzliches Ende.
    Nach Registrierung aller Juden in den Niederlanden auf Befehl der deutschen Besatzer sagte die Statistik im Herbst 1941:

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