Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
Vom Netzwerk:
Lebensmittelkarten, gefälschte Dokumente aller Art beschafft werden, auch Adressen von Ärzten, die im Notfall illegal zur Verfügung standen. Um an legale Ausweise und Gutscheine zu kommen, hatten sich bewaffnete »Überfallkommandos« (Knokploegen, KP ) gebildet, die in Verteilungsbüros, Einwohnermeldeämter und Arbeitsbüros einbrachen, und mit den landesweiten Hilfsorganisationen zusammenarbeiteten.
    Die KP scheuen auch vor tödlichen Aktionen nicht zurück: Niederländer, die mit den Deutschen offen zusammenarbeiten oder sich heimlich als Verräter andienen, werden von den KP erschossen, »liquidiert«, um Schaden von der Widerstandsbewegung abzuwenden und von Kollaboration mit den Besatzern abzuschrecken. Im Januar 1944 wurde in Amsterdam ein Verteilungsbüro für Bons überfallen; im Februar schossen Attentäter von der Straße in eine Parterre-Wohnung, wo statt des Polizisten die Ehefrau tödlich getroffen wird. Die Deutschen setzten eine Belohnung von 10   000 Gulden aus. Die KP -Leute kämpfen an vorderster Front. Sie wissen: werden sie verraten, von den Deutschen gefangen, folgt unweigerlich das Todesurteil.
    Einer, der wie kein anderer beides – den unbewaffneten und den bewaffneten Widerstand – verkörpert, ist der Bildhauer Gerrit van der Veen. Seit dem Sommer 1942 hat er die Personalausweis-Zentrale ( PBC ) zu einer Organisation mit rund hundert Mitarbeitern ausgebaut. Zusammen mit dem Amsterdamer Drucker Franciscus Duwaer ist es Gerrit van der Veen gelungen, makellose gefälschte Ausweise aller Art herzustellen. In der Druckerei Duwaers in der Nieuwe Looiersstraat 45/47 läuft jeden Sonntag die eigens dafür angeschaffte Maschine. Die PBC leitet die erforderlichen Papiere an einzelne untergetauchte Personen ebenso weiter wie an die nationalen Organisationen der LO und den NSF . Die Überfälle der KP allein konnten den Bedarf an fälschungssicheren Dokumenten nicht decken.
    Gerrit van der Veen ist ein ruheloser Geist, nie zufrieden mit dem, was er tut. Der nächtliche Brandanschlag auf das zentrale Einwohnermeldeamt Amsterdam im März 1942, als Sprengstoff und Feuer die Karteikarten zerstören sollten, war seine Idee. Van der Veen gehörte zu den wenigen, die von der deutschen Polizei nicht ergriffen wurden. Auch dass die Deutschen an zwölf seiner Mitkämpfer das Todesurteil vollstreckten, hielt den Zweiundvierzigjährigen nicht davon ab, ein noch viel gewagteres Unternehmen zu planen. Van der Veen will das berüchtigte Untersuchungsgefängnis Weteringschans überfallen. Es ist ein ausgedehnter Komplex am Kleinen Gartmanplantsoen mitten in Amsterdam, wo sich das südliche Ende der Weteringschans befindet. Hierher bringen die deutschen Besatzer ihre Gefangenen, schließen sie weg in kalten engen Zellen ohne Licht, Wärme und ausreichende Nahrung. Hier foltern sie, zermürben die Gefangenen und holen sie zu den Exekutionen ab. Gerrit van der Veen will mit seinem Überfall so viele politische Gefangene wie möglich befreien. Seit Dezember 1943 hat er fünf Anläufe gemacht und fünfmal wegen ungünstiger Umstände abbrechen müssen.
    Mitte April wird Henk Dienske von den Deutschen in Amsterdam abgefangen, die Fahrradtaschen voll gefälschter Lebensmittelbons. Hinter dem Leiter der Hilfe für Untergetauchte, dessen Kontakte im Untergrund unersetzlich sind, schließen sich die schweren Tore vom Gefängnis Weteringschans; bei den Verhören wird Dienske misshandelt. Für Gerrit van der Veen das Signal, zu handeln. Ein Einsatz in Den Haag kommt noch dazwischen. Auf einen Tipp hin überfällt van der Veen am 29. April mit drei Widerstandskämpfern in SS -Uniformen die staatliche Landesdruckerei. Die Ausbeute: rund 10   000 nagelneue leere Personalausweise, das erleichtert die Fälscherarbeit ungeheuer. Sofort wird der Überfall zur Befreiung der gefangenen Widerständler in Angriff genommen.
    1. Mai – Um vier Uhr morgens öffnen sich die schweren Tore vom Gefängnis Weteringschans. Gerrit van der Veen, der heimliche Verbündete beim Gefängnispersonal hat, schlüpft mit gut zwei Dutzend Männern in den Innenhof. Da schlägt einer von zwei Hunden an, die sich das Wachpersonal nach Hinweisen von V-Männern vor Kurzem zugelegt hat. Einer der Eingedrungenen erschießt den Hund, die deutschen Wachen werden aufgeschreckt und sind sofort zur Stelle. Ein wildes Feuergefecht beginnt, aus dem sich nur van der Veen, mit zwei Kugeln im Rücken, und ein Mitstreiter nach draußen retten können. Schwer

Weitere Kostenlose Bücher