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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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gefangene Niederländer zu befreien und mehrere Deutsche verwundet wurden.
    Anfang April wird in Amsterdam die Ausgangssperre am Morgen von fünf auf sechs Uhr verlängert. Am 5. April machen die Deutschen in den Straßen wieder gezielt Jagd auf Männer und Fahrräder. Der organisierte Widerstand antwortet am 9., 10. und 11. April mit zwanzig Sprengstoff-Anschlägen auf deutsche Bunker. Die Deutschen drohen mit Zerstörungen in der Stadt und verlängern die Ausgangssperre um eine weitere Stunde auf sieben Uhr. Die Stimmung der Amsterdamer schwankt wieder einmal zwischen Hoffnung und Verzweiflung: Wie viele Menschen müssen noch vor Entkräftung sterben? Wie viele Menschen noch von den Besatzern ermordet werden? Militärisch scheint doch alles klar zu sein. Berlin liegt seit Ende März im Einschussbereich russischer Artillerie. Die Armeen der Westmächte haben inzwischen das Ruhrgebiet besetzt und am 11. April die Elbe erreicht. Zwei Tage später erobert die Rote Armee Wien.
    Endlich kommt auch Bewegung in die niederländischen Fronten. Die kanadische Armee marschiert Richtung Niederlande, um die noch besetzten Gebiete zu befreien. Am 12. April erreichen die Kanadier das Lager Westerbork, und das bedeutete die Befreiung für rund 900 Häftlinge, Juden vor allem. Sie waren dem Tod im Vernichtungslager entkommen, weil seit dem September 1944 keine Züge mehr in den Osten fuhren. »Many Jews. Many beautiful women«, schrieb ein Soldat in sein Tagebuch. Aber dann geht es mit den Kanadiern wieder so langsam voran, dass die Besatzer ihren Terror noch steigern können.
    14. April – In aller Frühe fahren Polizeiwagen mit zehn »Todeskandidaten« durch die stillen Straßen Amsterdams Richtung Südosten. Um 9 Uhr werden die Männer von den Deutschen am Rozenoord erschossen, wo die Bäume schon frühlingsgrün waren. Wahrscheinlich mussten die Gefangenen aus Rache für die Sprengstoff-Anschläge wenige Tage zuvor auf deutsche Bunker sterben. Der Jüngste, Dirk Hulsman, ein Matrose der Königlichen Marine, war 24 Jahre; Job Daniel van Melle, der Älteste, Buchhalter im Schokoladengroßhandel, wäre im Mai 48 Jahre geworden.
    16. April – In Amsterdam schreibt Hendrik Jan Smeding in sein Tagebuch, dass es militärisch immer noch keinen Durchbruch der Alliierten gebe. Immerhin kann er hinzufügen, dass »heute Leeuwarden, Dokkum, Zwolle und Arnhem befreit wurden und wahrscheinlich auch Groningen …«. Was Smeding fürchtet: dass sich die SS -Truppen, »denen das Leben anderer und ihr eigenes nichts gilt«, in die Hauptstadt zurückziehen. Sie seien bereit, Amsterdam bis zum letzten Haus zu verteidigen: »In jedem Fall sollen das Museumsviertel, das Kolonial-Institut und die Amsterdamer Bank in die Luft gehen.«
    24. April – Die Zentralen Städtischen Küchen Amsterdams müssen schließen. Es gibt keinen Strom mehr in der Hauptstadt. 41 Millionen Portionen Essen haben sie seit Oktober 1944 ausgegeben. Stundenlang standen die Amsterdamer in langen Reihen, um einmal am Tag etwas Warmes in den Magen zu bekommen. Viel war es nicht, trotzdem ist die Schließung eine Katastrophe. Mit dem Frühling war keineswegs ein Ende der Hungersnot gekommen. Auch wenn die Kälte die Menschen nicht mehr schwächt: Amsterdam ist weiterhin von Zügen und Schiffen abgeschnitten, es kommen keine Nahrungsmittel in die Stadt: Ende April werden wirklich alle Vorräte aufgebraucht sein. (Die späteren Schätzungen liegen auseinander, aber zwischen 15   000 und 25   000 Amsterdamer sterben an den Folgen des »Hungerwinters«.)
    Es hat lange gedauert, aber nun, am Ende des fünften Jahres unter deutscher Gewalt, steht den Amsterdamern der Sinn nicht mehr nach Vergnügungen und auch nicht nach geistiger Nahrung. Am zweiten Weihnachtstag hatte das Concertgebouw-Orchester sein letztes Konzert gegeben; Theater, Kinos und Museen sind geschlossen. Was unzerstörbarer Teil des Lebens schien, ist wie ausgelöscht und Teil einer Vergangenheit, von der keine Brücken zur Gegenwart führen.
    Nur ein Gedanke beherrscht die Menschen, vom Aufwachen am Morgen bis zum Einschlafen in den muffigen Bettlaken, die seit Monaten nicht mehr gewaschen wurden: Wie komme ich an Nahrung? Wo gibt es noch Holz, um auf dem Öfchen Wasser zu erwärmen und die Zuckerrüben weich zu kochen? Gibt es noch einen Bäcker, zu dem man vor Morgengrauen die Kinder schicken kann, um sich für ein halbes Brot stundenlang anzustellen?

XVIII
    Flugzeuge bringen die Wende – Es regnet

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