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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Fabriksirenen heulen auf, Kirchenglocken läuten, Freudenfeuer werden in den Straßen, in Gärten, auf Balkonen angezündet. Die Menschen drängen aus ihren Wohnungen und Häusern ins Freie, die Stimmung ist fröhlich und feierlich zugleich. Niemand beachtet die Ausgangssperre, und die Amsterdamer Polizei hält sich zurück. An manchen Stellen kommt es zu Scharmützeln zwischen Amsterdamern und deutschen Soldaten. Noch haben die Besatzer die Macht in der Stadt nicht aus der Hand gegeben. Mit gezielten Schüssen treiben sie die Menschen zurück in die Häuser.
    5. Mai – An diesem Samstagmorgen erscheinen die illegalen Blätter ohne alle Hemmungen auf den Straßen. Schon um sechs Uhr morgens verkündet das »Extra Bulletin No. 1« von Het Parool in fetten kapitalen Lettern: » NEDERLAND BEVRIJD .« DIE NIEDERLANDE SIND BEFREIT . Die Kapitulation werde um 8 Uhr in Kraft treten und dann würden die Panzer der Kanadischen Armee ihre Fahrt vom Osten in Richtung Küste aufnehmen: »Innerhalb einiger Stunden können wir die ersten alliierten Soldaten in der Hauptstadt erwarten. Wir sind frei! Es leben die Niederlande!«
    Rot-weiß-blaue Fahnen überall in den Straßen und die Farbe Orange für das Königshaus, in den Auslagen der Geschäfte die Porträts der königlichen Familie. Erstmals sind seit Monaten die Cafés wieder voll, jeder hat sein letztes Geld zusammengekratzt, und die Wirte holen ihre Vorräte an Jenever aus den Verstecken. Aus den Verstecken kommen auch die Drehorgeln, von den Besatzern verboten, wieder ans Tageslicht, klingen die altbekannten Melodien durch die Straßen. Im Café Eylders in der Korte Leidsedwarsstraat, während der Besatzung ein Treffpunkt von Anti-Nazis und Untergrundkämpfern, gehen die Gäste beschwingt in Polonaise-Form zum angrenzenden Leidseplein und zurück, um sich die Wartezeit auf die kanadischen Soldaten zu vertreiben. Doch die Befreier kommen nicht.
    Unter den Wartenden macht sich Nervosität breit, gepaart mit der Erinnerung an den »dollen«, den verrückten Dienstag. Genau acht Monate ist es her, dass die Amsterdamer in ähnlicher Feststimmung, mit Blumen und Fahnen, in den Straßen auf die Befreier von der deutschen Gewaltherrschaft warteten – vergebens. Könnte es einen zweiten »verrückten« Tag geben, noch einmal einen solchen Absturz in ohnmächtige, verzweifelte Wut und Hoffnungslosigkeit?
    Als die Sonne am 5. Mai 1945 untergegangen war, kam wie jede Woche seit dem Februar 1944 der winzige Rest von Amsterdams portugiesischen Juden aus Verstecken und Verschlägen. An der Schwelle zur Freiheit begrüßten die Juden ein letztes Mal den Schabbat in der heimlichen Synagoge an der Nieuwe Keizersgracht 33. Die Männer bedeckten Kopf und Schultern mit dem Gebetsschal und priesen ihren Gott, wie es im fünften Buch Mose seit Jahrtausenden überliefert ist: »Höre Jisrael! Der Ewige ist unser Gott; der Ewige ist Einer. Und du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft.«
    Am gleichen Abend sprach Königin Wilhelmina zu den Niederländern. Erstmals seit dem Frühjahr 1940 nicht aus dem Exil, nicht im Londoner Radio Oranje, sondern in Radio Herrijzend Nederland, dessen Sender in Eindhoven auf niederländischem Boden stand: »Männer und Frauen der Niederlande! Unsere Sprache kennt kein Wort für das, was in dieser Stunde der Befreiung der ganzen Niederlande in unseren Herzen vor sich geht. Endlich sind wir wieder Herren am eigenen Hof und Herd. Der Feind ist geschlagen, von Ost bis West, von Süd bis Nord; verschwunden sind Hinrichtungskommando, Gefängnis und Folterlager.«
    6. Mai – Nach einem Tag Bedenkzeit unterzeichnete der Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht in den besetzten Niederlanden in Wageningen die Kapitulation. Mit der Herrschaft der deutschen Besatzer, ihrer »grünen« Polizei, ihren Soldaten und SS -Führern war es endgültig vorbei. In Amsterdam öffneten sich für die Gefangenen in der Weteringschans die Tore, Familienangehörige warteten seit anderthalb Tagen darauf. Es ist Sonntag, die Amsterdamer strömen in die Gottesdienste. Am Da Costakade organisiert die Kommunistische Partei eine öffentliche Veranstaltung.
    »Medical Feeding Teams« machten sich auf den Weg zu Menschen, die vom Hunger gezeichnet sind. Sie sollten mit einem Eiweißpräparat langsam wieder an vollwertige Nahrung gewöhnt werden. Betroffene haben die Paste als »scheußlich« beschrieben. Männer der nationalen

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