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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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zwischen den verschiedenen Widerstandsgruppen war Walraven van Hall, Charismatiker und bienenfleißig, eine der Stützen des nationalen Widerstands. Was Hoffnung machte: van Hall hatte den Ausweis mit seinem echten Namen bei sich, während alle im Untergrund ihn nur unter seinem Decknamen »van Tuyl« kannten. Da den Deutschen diese doppelte Identität unbekannt war, hatten sie erst einmal keine Ahnung, welch brisanter Fang ihnen gelungen war. Die Männer, die mit van Hall im Haus an der Leidsegracht festgenommen wurden, schwiegen eisern. Die führenden Mitkämpfer in Freiheit verhielten sich ganz still und nutzten ihre Kontakte zu deutschen Stellen für eine mögliche Freilassung bewusst nicht, um die Verfolger weiterhin auf der falschen Fährte zu halten.
    2. Februar – An der Ecke Jacob Obrecht- und Johannes Verhulsstraat, gleich hinter dem Concertgebouw, wird der einundsechzigjährige Jan Feitsma, Generalstaatsanwalt in Amsterdam, NSB -Mitglied und Berater von NSB -Führer Mussert durch ein Widerstandskommando mit drei Kugeln niedergestreckt. (Ein erstes Attentat hatte es im Februar 1943 gegeben, das irrtümlich seinen Sohn traf.)
    7. Februar, Rozenoord – Um das Feitsma-Attentat zu rächen, hatten die Deutschen fünf angesehene Amsterdamer Bürger als Geiseln genommen, darunter Juristen, die den Widerstand unterstützten, und den Chirurg Cesar Willem Ittmann, der verletzte Widerstandskämpfer medizinisch versorgte. Alle Männer werden heimlich am südlichen Amsteldijk erschossen. (Nach Ittmann ist viele Jahre später der dortige Pfad längs des Kanals benannt worden.)
    Ungefähr um den 6. Februar begegnete ein Gefangener, der in die Weteringschans eingeliefert wurde, Walraven van Hall auf einem der Gänge, die zu den Zellen im Keller führten. Er kannte ihn aus dem Untergrund und sagte den Deutschen, wer da in ihrer Gewalt war. Damit war einer der wichtigsten Männer des Widerstands enttarnt. Seine Mitstreiter in Freiheit erfuhren es nicht. Sie blieben weiter untätig, um ihren »Chef« nicht zu gefährden. Tage und Nächte vergingen in den dunklen, engen Zellen ohne Heizung, ohne Wasser, ohne Seife. Ab und an gab es verfaulte Kartoffeln. Ein Strohsack auf dem Boden und zwei dünne Decken mussten für die Nachtruhe reichen. Keine Besucher, keinerlei Kontakte nach draußen waren erlaubt. Am Abend hören die Gefangenen, wenn Pastor Henk de Jong den Tag in seiner Zelle beschließt und singt: »Dir, o Gott, will ich danken und Dich preisen in meinem Abendlied …« Am 10. Februar ist Walraven van Halls 39. Geburtstag.
    12. Februar – Nachmittags um halb vier erfährt van Hall, dass er am Abend erschossen werden soll. Er muss Hut und Jacke abliefern und wird mit sieben anderen Gefangenen, darunter Pastor Henk de Jong, in drei Polizeiautos verfrachtet und nach Haarlem gefahren. Dort, an der Jan Gijzenbrug, wurde zwei Tage zuvor ein deutscher Soldat bei einem Feuergefecht mit einem Widerstandskommando erschossen. Die acht »Todeskandidaten« aus Amsterdam sollen am gleichen Ort, zur gleichen Stunde mit ihrem Leben für den Tod des Deutschen büßen.
    Zuerst werden Vorbeikommende von deutschen Soldaten aufgehalten und müssen sich am Kai längs des Kanals aufstellen, darunter zwei Jungen, neun- und zehnjährig. Ständig sind die Gewehre auf sie gerichtet. Als die drei Polizeiwagen in hohem Tempo heranfahren, wird es still. Die acht Gefangenen klettern aus dem letzten Wagen, stehen dicht nebeneinander. Das Exekutionskommando nimmt Aufstellung, erneut zwingen die umstehenden Soldaten die Menschen hinzusehen, die Augen nicht abzuwenden. Die Gewehre werden angelegt, das Gewehrfeuer explodiert in die Stille. Die Niederländer müssen an den Erschossenen, die ineinander verknäult auf dem Boden liegen, vorbeilaufen. Auch eine damals Siebzehnjährige, die viele Jahre später in einem Brief an die Witwe von Pastor de Henk die Erschießung an der Jan Gijzenbrug und die Gefühle der Augenzeugen schildert: »Wir waren niedergeschlagen, ängstlich und voller Hass.«
    Am gleichen Abend kommt aus Amsterdam ein Beerdigungsunternehmer, Mitglied der NSB und der niederländischen SS , und transportiert die Toten ins Kennermerdünen-Gebiet. Bevor er sie dort im Sand verscharrt, nimmt er den Männern Schuhe und Ringe ab. Die Schuhe nutzt er zuhause als Brennstoff, die Ringe liefert er bei den Deutschen ab. Fünf Tage später schickt er eine Rechnung von 195 Gulden pro Person an die Gemeinde Haarlem.
    Der Nationale

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