Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)
Krankenhaus gebracht. Er überlebt, trotzdem nehmen die deutschen Besatzer blutige Rache für den Anschlag.
7. März – In Amsterdam soll der Chef des Sicherheitsdienstes aus Rache für das Attentat 75 »Todeskandidaten« von der Weteringschans an den Rozenoord bringen. Doch so viele bekommt er nicht zusammen, und so werden an diesem Tag »nur« 53 Männer aus dem Gefängnis an den Amsteldijk gefahren und dort erschossen, darunter ein Haupt-Redakteur der illegalen Zeitung Het Parool. Direkt am Ort des Geschehens ermordet ein Exekutionskommando 117 Niederländer, weitere an verschiedenen Plätzen. Insgesamt 263 Menschenleben werden als Vergeltungsmaßnahme für das Rauter-Attentat ausgelöscht.
Zwei Tage später wurden mit Zustimmung der Besatzer 500 Kinder aus Amsterdam auf die Insel Texel gebracht, um bei ausreichender Nahrung und frischer Seeluft wieder zu Kräften zu kommen. Die Schulen hatten ohnehin wegen der Osterferien geschlossen. In der Stadt verbreiteten Patrouillen der deutschen »grünen« Polizei und die niederländische Landwehr weiterhin Angst und Schrecken: Wagen werden willkürlich angehalten, Personen kontrolliert, Schüsse in die Luft abgegeben, Fahrräder konfisziert. Immer radikaler beschlagnahmte der deutsche Zoll an den Einfallstraßen Lebensmittel, die zurückkehrende Amsterdamer auf ihren »Hungerfahrten« über Land mühsam durch Tauschgeschäfte erstanden hatten. 400 Gramm betrug jetzt die Brotration auf Gutschein pro Person und Woche. Am 7. März wurde wieder ein Mensch beim Einsturz eines Hauses erschlagen, aus dem er Holz für den Ofen holen wollte.
12. März – Aus dem Gefängnis Weteringschans werden am Vormittag 36 politische Gefangene zum nahe gelegenen Eersten Weteringsplantsoen 30 gebracht. Es ist eine belebte Ecke, wo sich Vijzelstraat und Weteringschans in einem Rondell kreuzen und eine Brücke über den Singel zur Stadhouderskade und in das Viertel De Pijp führt. Wenige Schritte von der Brücke entfernt, am Rand der kleinen Grünanlage, liegt auf einem steinernen Block ein lebensgroßer Mann aus Bronze, in der Rechten eine kleine Signaltrompete, wie im Kampf gefallen. Er hält die Erinnerung an jene 36 Männer wach, die am 12. März 1945 hier – zum Hohn von Recht und Gesetz – erschossen wurden. Sie standen mit dem Rücken zum Wasser des Kanals, während ringsum Dutzende von Amsterdamern von deutschen Soldaten gezwungen wurden, stehen zu bleiben und der Mord-Szene zuzuschauen.
Es war eine Vergeltungsmaßnahme. In der Nacht zum 11. März hatten Widerstandskämpfer gegenüber in der Stadhouderskade einen deutschen SS -Mann erschossen, der mit seinesgleichen das dortige Haus, Zentrale einer Widerstandsgruppe, überfallen und besetzt hatte. Der 12. März, ein Montag, war einer der ersten sonnigen Tage in diesem Frühling. Stundenlang blieben die 36 Toten am Wegesrand liegen, bevor ein offener Lastwagen sie abtransportiert. Als der Fotograf Cas Oorthuys, der im Untergrund lebte und mit versteckter Kamera so viele Aufnahmen wie möglich von der Besatzungszeit machte, vorbeikam, bedeckten zwei Männer die Erschossenen mit einer niederländischen Flagge. Oorthuys drückte auf den Auslöser, für alle Beteiligten ein lebensgefährliches Risiko.
13. März – Im Südwesten der Niederlande bei Aardenburg betritt Königin Wilhelmina nach fast fünf Jahren im Londoner Exil wieder den Boden ihres Landes. Am 18. sitzt sie in Breda beim Gottesdienst in der überfüllten Grote Kerk. Weiter geht es nach Maastricht und Venlo und von dort am 22. März mit einer Militärmaschine zurück nach London, alles im Schutz von US -Soldaten. Die königliche Visite in den befreiten Landstrichen soll den Menschen in den besetzten Gebieten Mut machen. Aber noch ist für die Amsterdamer kein Ende der ohnmächtigen Wut gekommen. Die Widerstandsgruppen sind nicht in der Lage, die Deutschen in der besetzten Hauptstadt am Morden zu hindern, und die alliierten Truppen lassen weiter auf sich warten.
15. März – An der Elandsgracht im Jordaan wird ein deutscher Soldat erschossen. Willkürlich greifen sich die Besatzer vier Männer aus der Umgebung und erschießen sie noch am gleichen Tag am Ort des Attentats.
31. März – Fünf Gefangene aus der Weteringschans werden an den Rozenoord gebracht und von der Sicherheitspolizei erschossen. Vergeltungsmaßnahme für ein Feuergefecht zwischen Widerstandskämpfern und Sicherheitspolizei außerhalb der Hauptstadt, bei der es gelang, einige junge
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