Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)
Widerstandsorganisation »Binnenländische Streitkräfte« gingen in Uniform auf die Straße, aber ohne Waffen, und begannen anhand von Listen, niederländische Kollaborateure zu verhaften.
7. Mai – Endlich sollen die Amsterdamer ihre Befreier begrüßen können. Die neuen Zeitungen, nicht mehr illegal, informieren, dass die Alliierten Truppen am Dam erwartet werden. Gegen ein Uhr am Mittag taucht eine kanadisch-britische Vorhut auf; so scheint es. Doch der Wagen fährt schnell wieder davon. Die vielen Menschen am Dam, am Rokin und rund um das königliche Schloss sind in Feierstimmung. Die traditionelle Drehorgel spielt wieder auf dem Platz. Aber nichts tut sich, keine Befreiungssoldaten, keine Panzer, Wagen oder Geschütze in Sicht, denen man so gerne zujubeln möchte.
Gegen drei Uhr peitschen aus heiterem Himmel Gewehrschüsse über den Dam. Die Menschenmenge gerät in Panik. Im »Großen Club« der Amsterdamer Industriellen an der Ecke Kalver-/Paleisstraat haben sich im ersten Stock deutsche Marinesoldaten verschanzt. Sie schießen gezielt zur Rechten auf den Platz und linker Hand in Richtung Nieuwezijds Voorburgwal. Die Menschen flüchten zur Nieuwe Kerk, gehen hinter der Drehorgel in Deckung. Männer der Binnenländischen Streitkräfte, die an zentralen Punkten postiert sind, beginnen zurückzuschießen. Plötzlich ein geschriener Befehl »Hinlegen«, alle werfen sich auf den Boden. Totenstille. Pfadfinder gehen mit weißen Fahnen auf den Platz, wo Verwundete und Tote liegen.
Es war ein letztes Drama, bis die Amsterdamer sich endlich frei und vor den verhassten ehemaligen Besatzern sicher fühlen konnten. 22 Amsterdamer bezahlten den festlichen Tag am Dam mit ihrem Leben, 60 wurden verwundet. Schockiert, entsetzt gingen die Menschen aus der Innenstadt nach Hause. Die Kanadische Armee war an diesem Tag nicht in den Straßen der Hauptstadt erschienen. Unbemerkt kam es am Abend noch zu einem ersten Treffen zwischen dem Befehlshaber der 1. Kanadischen Armee und dem neuen Bürgermeister von Amsterdam samt dessen engsten Mitarbeitern. Es waren angesehene Männer der Vorkriegszeit, auf die sich die Widerstandsgruppen schon Anfang März geeinigt hatten.
7. Mai 1945: ein letzter Überfall der deutschen Besatzer fordert am Dam 22 Tote
8. Mai – Wieder stehen die Amsterdamer zu Zehntausenden an den Straßen. Sie lassen ihrer Freude, Begeisterung und Dankbarkeit freien Lauf, als die Seaforth Highlanders of Canada in die Hauptstadt der Niederlande einziehen: über die Berlage Brug, durch die Van Baerlestraat, am Concertgebouw vorbei, über den Leidseplein zum Dam. WELCOME BOYS . Menschentrauben, junge Frauen und Männer vor allem, sitzen auf Panzern und Geschützen, die nur im Schritttempo vorankommen. Am Abend tummelt sich ganz Amsterdam in den Straßen und Cafés. Die Ausgangssperre war auf 23 bis 5 Uhr beschränkt worden. Am nächsten Tag wird weiter gefeiert. Natürlich kommen wieder Tausende, als am Dam der Amsterdamer Bürgermeister offiziell die Befreier begrüßt und sich im Namen der Stadt bedankt.
Noch im Mai wurde die Euterpestraat in Amsterdam Zuid umbenannt. Für immer war dieser Name mit dem Terror der deutschen Besatzer, den Folterräumen der SS -Männer, den Büros der Judenjäger und der ZjA verbunden, der »Zentralstelle für jüdische Auswanderung«, die die Deportationen organisiert hatte. Der neue Name »Gerrit van der Veenstraat« erinnert an einen Amsterdamer, der früher als die meisten Bewohner und kompromisslos zum Widerstand gegen die Besatzer aufgerufen hatte. Der durch die Fälschungen seiner »Personalausweis-Zentrale« Zehntausenden von Untergetauchten das Leben rettete und dessen Brandanschlag auf das Einwohnermeldeamt Ende März 1943 unvergessen war. Der einen Befreiungsversuch am Gefängnis Weteringschans riskierte und für seinen Widerstand mit dem Leben bezahlte. Umgekehrt erhielten in den folgenden Wochen viele Straßen, von den Besatzern umbenannt, ihre alten Namen zurück.
8. Mai 1945: Endlich frei! Amsterdam bejubelt die Soldaten der kanadischen Armee.
Königin Wilhelmina hatte Recht: Es gab keine Worte, um auszudrücken, was in den Herzen vor sich ging und die Gefühle zu beschreiben, die die Menschen in den Maitagen 1945 erfüllten. Zu einer anderen Zeit, in eine andere Welt gehörte die Erinnerung an die ersten Maitage 1940, den blauen Himmel, die blühenden Kastanien und Lindenbäume in den Parks und Straßen von Amsterdam; als am frühen Morgen deutsche Flugzeuge am
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