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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Gemeinden verschickten, mit der Aufforderung, sie innerhalb von zwei Wochen allen Beamten und Angestellten vorzulegen und die Ergebnisse zu melden.
    Schon zwei Tage später erfuhren die Generalsekretäre in Den Haag und der Bürgermeister in Amsterdam von den Deutschen, dass man nach Rücklauf der »Ariererklärung« aufgrund der damit erworbenen Informationen von ihnen fordern werde, alle jüdischen Beamten zu entlassen. In der internen Diskussion sprach sich eine Mehrheit der Generalsekretäre für Rücktritt aus, weil die Grenze der Kooperation erreicht sei. Die Minderheit plädierte für Weitermachen, um »allgemeines Chaos« im Land zu verhindern und »weiterhin die niederländischen Interessen zu wahren und zu schützen«. Von einem möglichen Widerstand gegen die deutschen Forderungen ist nirgendwo im Protokoll die Rede; die Minderheit setzte sich durch. Am 18. November einigten sich die Generalsekretäre auf die Formulierung des Briefes, mit dem die Gemeinden gegenüber ihren jüdischen Beamten und Angestellten am 21. November ein Berufsverbot aussprechen sollten: »Im Auftrag des Reichskommissars habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass Sie mit dem heutigen Tag von der Wahrnehmung ihrer Aufgaben entbunden sind.« Das Gehalt würde »vorläufig« weitergezahlt.
    Der Amsterdamer Bürgermeister erhielt von den Generalsekretären die Anordnung, in der Verwaltung »380 Volljuden« mit besagtem Schreiben »ihrer Funktion« zu entheben. Eine verwirrende Zahl, die nicht mit den abgegebenen »Ariererklärungen« übereinstimmte; aber bloß nicht nachfragen. Am 25. November 1940 hatten 380 Amsterdamer Bedienstete ihre Entlassung – denn um nichts anderes ging es – »im Auftrag des Reichskommissars« schwarz auf weiß in Briefkästen und Postfächern. Außerdem wurde ihnen mitgeteilt, ab dem 26. November nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, ausgenommen, sie hätten noch Arbeitszeug abzuliefern.
    Die allermeisten Betroffenen waren am nächsten Tag nicht mehr dabei, als in den Abteilungen der städtischen Ämter und Institutionen ihre Namen verlesen wurden. Ein paar wenige entschieden sich, nicht wie Aussätzige über Nacht aus dem Arbeitsleben zu verschwinden, sondern aufrechten Hauptes im hellen Tageslicht zu gehen.
    Im Amsterdamer Polizeikorps erhielten sechs Mitarbeiter einen Entlassungsbrief. Ein Wachtmeister, der in der Innenstadt Dienst tat, erinnerte sich viele Jahre später: »Wir hatten einen jüdischen Kollegen in der Warmoesstraat. Ich weiß noch genau, wie er nach seiner Entlassung sein Arbeitszeug bei unserm Chef ablieferte. Ich war dabei. Jeder fand es schrecklich. Aber das Verrückte ist, dass niemand von uns auf den Gedanken gekommen war, die Unterzeichnung der Ariererklärung zu verweigern … Im Nachhinein habe ich eingesehen, dass die Unterzeichnung unverantwortlich war. Ich hätte es nicht tun sollen.«
    Im Telefonamt von Amsterdam wird Entlassenen der Zutritt verwehrt, als sie sich von ihren bisherigen Mitarbeitern verabschieden möchten. Als Rachel Speyer wie seit Jahren um halb neun Uhr die Reichspostsparkasse in der Van Baerlestraat betritt, wird auch ihr gesagt, sie solle ihren Arbeitsplatz nicht mehr betreten. Doch eine Kollegin kommt, holt sie am Eingang ab und begleitet die Achtunddreißigjährige, so dass sie von allen Abschied nehmen kann. Als Rachel Speyer das Haus verlässt, essen ihre Kolleginnen wie jeden Mittag ihr Brot in der Kantine, verlassen um fünf vor fünf Uhr ihr Büro. Ein Arbeitstag wie jeder andere, fast.
    An der Universität von Amsterdam werden sechsundzwanzig Dozenten entlassen. Dem Rektor gelingt es, aufgebrachte Kollegen und Studenten von einem Streik abzuhalten. Um sicherzugehen, dass alles ruhig bleibt, werden die Weihnachtsferien vorverlegt. Nur die Studentenzeitschrift Propria Cures wagt ein offenes Wort. »Wir sind stolz darauf«, heißt es in einem Artikel über die Entlassenen, »euch als Dozenten und Mitarbeiter gehabt zu haben. Wir hoffen, dass ihr euren Platz an unserer Universität bald wieder einnehmen könnt.«
    Am traditionsreichen Vossius-Gymnasium organisiert Bart Romein, dessen Vater sich hatte überzeugen lassen, die »Ariererklärung« zu unterschreiben, zusammen mit einem Freund einen Streik unter den Mitschülern. Am Tag nach der Entlassung von fünf jüdischen Lehrern bleiben die Schüler auf dem Schulhof und weigern sich, zum Unterricht in die Räume zu gehen. Die nichtjüdischen Lehrer signalisieren unter der Hand ihre

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