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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Universitätsprofessor – von ihrem Vorgesetzen oder der Personalabteilung wie aus heiterem Himmel die sogenannte »Ariererklärung« vorgelegt, genau genommen waren es zwei Erklärungen. Wer selber und/oder wessen Ehemann/Ehefrau oder Verlobter oder »eine/r seiner Eltern oder Großeltern der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörten«, musste Formular B unterzeichnen. Im Vokabular der Nationalsozialisten war er damit »jüdischen Blutes«. Auf wen das nicht zutraf, Partner oder Verlobte inbegriffen, der unterschrieb Formular A und konnte sich von nun an zu den niederländischen »Arieren« rechnen. In beiden Fällen wurde darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die sofortige Entlassung nach sich zogen.
    Die betroffenen Amsterdamer waren verunsichert und konnten nicht einordnen, weshalb diese Erklärung von ihnen gefordert wurde. Aber sie hatten auch keine Antwort auf die Frage, warum sie nicht unterschreiben sollten. Wie ahnungs- und ratlos selbst kritische, dem Faschismus feindlich gesinnte Zeitgenossen waren, zeigt die Reaktion von Jan Romein, marxistischer Historiker und Mitglied der Universität von Amsterdam. Am 14. Mai, einen Tag vor Kriegsende, hatte er vergeblich versucht, mit seiner Frau Annie Romein-Verschoor und den drei Kindern von IJ muiden nach England zu flüchten. Zurück in Amsterdam, zerriss das Ehepaar Briefe und Unterlagen, brachte »linke« Bücher außer Haus. Es fürchtete, dass ihnen Durchsuchungen, vielleicht sogar Haft drohten. Sie waren überzeugt, als Marxisten auf einer Fahndungsliste der deutschen oder der niederländischen Nationalsozialisten zu stehen. Aber nichts davon war bis zum Oktober eingetroffen.
    Nachdem er im Frühjahr offensichtlich viel zu pessimistische Schlüsse aus der politischen Situation gezogen hatte, fragte Jan Romein einen angesehenen, grundsatzfesten Juristenkollegen um Rat. Dem missfiel zwar das »Judenformular«. Doch der Rechtsprofessor hatte keine grundsätzlichen Bedenken, da es sich um die selbstverständliche Feststellung einer einfachen Tatsache handelte. Jan Romein und alle seine akademischen Kollegen unterschrieben.
    Bis Ende Oktober waren die knapp 25   000 Erklärungen unterzeichnet in der Personalabteilung der Stadt Amsterdam zurück. Vier Angestellte hatten ihre Unterschrift verweigert. Ähnlich lag das Verhältnis bei den insgesamt 192   205 Beschäftigten in den Städten und Gemeinden der Niederlande, die sich ebenfalls erklären mussten. Weniger als ein Dutzend hatten die »Ariererklärung« nicht unterschrieben. So wusste im November 1940 der niederländische Arbeitgeber – mit Namen und Arbeitsplatzangabe –, dass es landesweit 2090 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – oder deren Partner – gab, die nach dem Gesetz der deutschen Besatzer »jüdisches Blut« hatten. In der Amsterdamer Stadtverwaltung waren es 787 Menschen, auf die diese »Kategorie« zutraf. Und die Besatzer hatten auf alle diese Angaben ab sofort ebenfalls problemlos Zugriff. Während Jan Romein – und viele andere – sich nicht vorstellen konnten, was der Zweck dieser Aktion war, wussten die deutschen Täter und ihre niederländischen Handlanger längst Bescheid.
    Rückblende auf den 28. August 1940, Regierungssitz Den Haag: Die Generalsekretäre der fortbestehenden niederländischen Ministerien, die sich zu loyaler Zusammenarbeit mit dem deutschen Reichskommissar und seinen Beamten verpflichtet hatten, erhalten von den Besatzern die Anweisung, »dafür Sorge zu tragen«, dass ab sofort kein Niederländer »von jüdischem Blut« mehr zum Beamten ernannt werde. Zudem dürften jüdische Beamte keinesfalls mehr befördert werden. Wenig später kommt die Anweisung, dass Beamte, die einen jüdischen Ehepartner haben, sofort entlassen werden müssen.
    Das Reaktionsmuster von Seiten der höchsten niederländischen Beamten auf diese und ähnliche Forderungen der Besatzer in den folgenden Wochen und Monaten ist immer gleich: Widerspruch, Bedenken und der Einwand, dass die Obrigkeit mit solchen Maßnahmen das Vertrauen der Bevölkerung verlieren würde, weil die keine Trennung von Niederländern und Juden akzeptiere. Am Ende jedoch wurde unter großem Bedauern und mit dem Vermerk »vorläufig« der Auftrag der Sieger in allen Stücken erledigt. Es waren die Generalsekretäre, die die verwaltungstechnische Grundlage zur Trennung der Beamten in Juden und Nichtjuden – die »Ariererklärung« – ausarbeiteten und am 4. und 5. Oktober an sämtliche niederländischen

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