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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Stadt.
    Doch die Dynamik des 25. Februar und die erfolgreiche Solidarität von zehntausenden Amsterdamern übertrug sich nicht auf den nächsten Tag. Was gestern noch die spontane Fröhlichkeit ausmachte, war heute ein großes Manko: Es fehlte eine Streik-Organisation. Die streikgewohnten Arbeiter auf den Werften von jenseits des IJ gingen selbstverständlich nicht an die Arbeit. Aber die Straßenbahnfahrer waren verunsichert. Die städtischen Beamten tauchten wieder in ihren Büros auf, ihre Vorgesetzten bedrängten sie, nicht weiter zu streiken.
    In Den Haag trafen sich an diesem Morgen Reichskommissar Seyß-Inquart und Polizeichef Rauter und telefonierten mit Heinrich Himmler in Berlin. Sie waren sich über »verschärfte Vernehmungen«, das bedeutet Folter und Misshandlungen, bei zu erwartenden Festnahmen schnell einig. Rauter wird in die Hauptstadt fahren, um dem Spuk ein schnelles Ende zu bereiten. Ihn begleitet SS -Mann Willy Lages, der den bisherigen Chef des SD in Amsterdam ablöst. Lages, ein effizienter Arbeiter, richtet das neue Büro für SD (Sicherheitsdienst) und SiPo (Sicherheitspolizei) in einer ehemaligen Mädchenschule in der Euterpestraat (heute Gerrit van der Veenstraat) in Amsterdam Zuid ein.
    Um die Mittagszeit treten die Mitarbeiter der Tramremise Kromme Mijdrechtsstraat wieder in den Streik, private Betriebe schließen sich an. Streikende Arbeiter strömen in großer Zahl in die Innenstadt, und halten fahrende Straßenbahnen an. Ein zweites Mal jedoch lassen sich die Besatzer nicht überraschen. Der Kommandant des deutschen Polizei-Bataillons 254 in Amsterdam übernimmt den Oberbefehl über deutsche und niederländische Polizei und über die Waffen- SS . Alle Männer erhalten den Befehl, gezielt auf Demonstranten zu schießen. Die »Grünen« auf den Motorrädern haben Maschinengewehre, die SS -Truppe ist mit Handgranaten ausgestattet. Ab 14 Uhr suchen die Polizeikräfte die Konfrontation. Die Amsterdamer Polizisten werden in den folgenden Stunden nicht gezielt auf ihre Landsleute schießen, doch sie nehmen Verhaftungen vor. Der Amsterdamer Polizei-Apparat insgesamt ordnet sich den Befehlen der Besatzer unter.
    Wo die Deutschen eingreifen, kommt es zu heftigen Kämpfen, Schüsse fallen: im Jordaan, in der Kinkerbuurt, in der Albert Cuypstraat. Am Ende des 26. Februar haben neun Demonstranten ihr Leben verloren, vierundzwanzig sind schwer, einundzwanzig leicht verwundet. Über zweihundert Amsterdamer werden verhaftet, darunter städtische Beamte, der Chef der Polizeistation am Jonas Daniel Meijerplein, viele Kommunisten und die gesamte frühere Fraktion der Sozialdemokraten im Amsterdamer Gemeinderat. Das fröhliche städtische Fest vom 25. Februar scheint wie ein Traum, der zum Alptraum wurde.
    27. Februar – Ernst Cahn, einer der Besitzer vom Eissalon Koco, wird zum Tode verurteilt. In Amsterdam fahren alle Straßenbahnen wieder pünktlich, jeder Wagen begleitet von einem Amsterdamer und einem deutschen Polizisten. Betriebe erhalten den Befehl, ihren Arbeitern zwei Streiktage vom Lohn abzuziehen. Überall in der Stadt patrouillieren deutsche Polizisten. Angst wird der Ratgeber nach dem 26. Februar 1941 heißen. Die Rache der Besatzer folgt in wohlkalkulierten Dosen und verfehlt ihre Wirkung nicht.
    Tödliche Folgen: Am 3. März wird das Todesurteil an dem einundfünfzigjährigen Ernst Cahn vollstreckt. Der deutsch-jüdische Emigrant aus Remagen ist der erste, der in den Niederlanden durch ein Exekutionskommando der deutschen Besatzungsmacht stirbt, in den Dünen bei Scheveningen. In den nächsten zehn Tagen werden vier kommunistische Arbeiter aus Amsterdam und fünfzehn Mitglieder einer kleinen illegalen Gruppe, die anti-deutsche Kettenbriefe verteilt und Telefonleitungen gekappt hatte, ebenfalls in den Dünen bei Scheveningen erschossen. Die Deutschen sorgen dafür, dass alle Hinrichtungen bekannt werden.
    Politische Folgen: Willem de Vlugt, seit zwanzig Jahren Bürgermeister von Amsterdam, wird am 3. März seines Amtes enthoben. Zum Nachfolger ernennen die Besatzer Edward John Voûte, 53, aus angesehener Amsterdamer Familie mit hugenottischen Vorfahren; kein Mitglied, aber ein offener Sympathisant der niederländischen Nazis. Ebenfalls entlassen werden vier städtische Beigeordnete und durch Männer mit NSB -Parteibuch ersetzt. In den Gesprächen mit Hans Böhmcker, dem Amsterdamer Vertreter des Reichskommissars, über die Bestrafung von hohen Beamten, die in den Streik verwickelt

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