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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Frage, warum ein massenhafter Widerstand der Amsterdamer gegen diese menschenunwürdigen Aktionen ausgeblieben ist.
    Am Abend des 14. Juli gegen 23 Uhr sammeln sich an drei vorgeschriebenen Plätzen in den äußeren Stadtteilen Amsterdams Menschen mit Koffern und Rucksäcken, Decken und Proviant; auf ihrer Kleidung deutlich sichtbar ein gelber Stern mit der Aufschrift »Jude«. Unter Polizeibegleitung bringen Straßenbahnen sie zum Hauptbahnhof. Die gleiche Szene an der Straßenbahnhaltestelle Beethoven/Höhe Euterpestraat in Amsterdam Zuid. Sieben Züge haben die Besatzer bei den städtischen Betrieben angefordert, um die Juden zum Hauptbahnhof zu fahren.
    Juden, die in Bahnhofsnähe in der Innenstadt wohnen, gehen zu Fuß zur Centraal Station. Heinz Wielek war Augenzeuge: »So ziehen sie durch das nächtliche Amsterdam. Einige konnten ihre Nerven nicht beherrschen – eine Frau rief: ›Ich bleibe hier stehen … ich kann nicht weiter … doch, ich kann weiter … bis an die Gracht … ja, die Gracht … da werde ich ausruhen … ich bin so schrecklich müde.‹ Ihr Mann beruhigte sie: ›Komm … sei vernünftig … alles wird gut.‹ Und er hielt sie fest und zog sie mit sich, an der lockenden Gracht vorbei.«
    Am Hauptbahnhof wieder Polizei, 838 Juden werden gezählt, 1000 hätten es sein sollen. Zwei Familien haben in dieser Nacht den Gashahn aufgedreht, statt am Sammelplatz zu erscheinen. Die Juden werden auf zwei Züge verteilt, die um 1 Uhr 30 in Richtung Westerbork fahren.
    Die beiden Züge kommen am frühen Morgen des 15. Juli, ein Mittwoch, in Hooghalen an, Endstation. Noch fehlen die letzten fünf Kilometer Schienen bis Westerbork, wieder ein Fußmarsch. Die Juden aus Amsterdam bleiben nur wenige Stunden im Lager. Bald geht es die fünf Kilometer nach Hooghalen zurück, wieder in den Zug. Von den rund tausend deutsch-jüdischen Emigranten, die seit Januar 1942 ihre Wohnorte außerhalb Amsterdams verlassen mussten und im Lager leben, werden 175 Männer gezwungen, ebenfalls zu den zwei wartenden Zügen zu marschieren.
    Am Mittwochabend in Amsterdam: Wieder sammeln sich Menschen mit Koffern und Rucksäcken an vorgegebenen Stellen. Wieder geht es zu Fuß oder in Straßenbahnen zum Hauptbahnhof. Diesmal sind 480 Juden dem Befehl zum Arbeitseinsatz gefolgt und kommen am 16., frühmorgens, in Hooghalen an. Die gleiche Prozedur: Ab nach Westerbork und wieder zurück in die Waggons, die in Hooghalen warten. Gegen Abend des 16. Juli sind es drei Züge mit 1493 Juden – ihrer Freiheit beraubt, jeder Schritt, den sie in den letzten Tagen taten, war erzwungen –, die weiterfahren, in Richtung Osten. Bald werden die Züge aneinandergekoppelt und lassen die Grenze zum Deutschen Reich hinter sich. Gerade zwölf Tage ist es her, dass in Amsterdam die Briefzusteller klingelten und die ersten Aufforderungen zum »Arbeitsdienst« überbrachten.
    17. Juli, Freitag – Als der Zug mit den Deportierten nach langer Fahrt endlich hält, können die Menschen nicht ahnen, wo sie sich befinden. Aber eines wird ihnen sofort und ohne Worte klar gewesen sein: Die Angabe zum »Arbeitsdienst nach Deutschland« zu fahren, war eine Lüge. Wir wissen: Die ersten Juden aus Amsterdam sind an diesem Tag im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gelandet. Sofort nach dem Aussteigen werden sie an der Rampe »selektiert«: zwei Drittel der Menschen in Richtung Baracken – »Vernichtung durch Arbeit«, sie haben noch ein paar Tage oder Wochen Lebenszeit unter elenden Umständen vor sich. Ein Drittel wird – ahnungslos – in Richtung Gaskammern getrieben. In Sichtweite beobachtet eine Gruppe SS -Männer die Szene: Im Mittelpunkt Heinrich Himmler, der an diesem Tag im Vernichtungskomplex Auschwitz zu Besuch ist.
    Zuerst hatte der Herr aller KZ s am Morgen in einem Nebenlager die Fischzucht und landwirtschaftliche Experimente begutachtet. Dann war Himmler mit seiner Begleitung nach Auschwitz-Birkenau gefahren, sah der Selektion der Juden aus den Niederlanden zu und anschließend ihrer Ermordung in den Gaskammern. Auf dem Rückweg ins Stammlager Auschwitz I befiehlt er dem Lagerkommandanten, von nun an die vergasten Juden nicht mehr in Massengräber zu werfen, sondern zu verbrennen. In Amsterdam dürfen am Morgen des 17. Juli die 540 jüdischen Geiseln, seit drei Tagen auf dem Innenhof der Zentralstelle für jüdische Auswanderung gefangen gehalten, nach Hause gehen.
    18. Juli – Im Auftrag der deutschen Wehrmacht hat das niederländische

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