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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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kleineren Rationen von Fett und Fleisch, die das System pro Person zuteilte – eine gesunde Lebensweise. Auch die Vitaminzufuhr stieg. In Ermangelung anderer Genüsse begannen die Niederländer erstmals Rohkostsalate zu essen.
    Die Bezugsscheine regulierten die Verteilung und damit die Mengen, die jedem zustanden, mit den Preisen hatten sie nichts zu tun. Die Frauen mussten im Geschäft die Geldbörse zücken, um das zu bezahlen, was ihren Familienmitgliedern laut Bons zustand. Wer Freunde oder Verwandte zu einem Essen ins Gasthaus einlud, zahlte die Zeche, während die Eingeladenen wussten, dass sie die Bezugsscheine für das mitbringen mussten, was sie mit ihrer Mahlzeit verzehrten, Fleisch und Fisch, Fett und Brot. Kompliziert wurde es, wenn der Bezugsschein für hundert Gramm Fleisch ausgezeichnet war, aber das Schnitzel nur sechzig Gramm wog. Dann gab es für den Gast einen vierzig Gramm-Fleischbon zurück, der aber nur in Gaststätten gültig war. Kompliziert, aber sollte man deshalb auf das Restaurant-Vergnügen verzichten?
    Im Sommer 1942 zählten die Restaurants und Cafés an der Amstel mehr Gäste denn je, obwohl die freie Wahl an Essen und Getränken immer stärker eingeschränkt wurde. Begonnen hatte es im Frühjahr, als die Besatzer begannen, den Köchen ins Handwerk zu pfuschen. Montag, Mittwoch und Freitag durften Kartoffeln nur in der Schale auf den Tisch kommen; die Niederländer lernten die »Pellkartoffel« kennen. Am Dienstag und Freitag, wenn fleischlose Kost serviert werden musste, fielen auch Huhn und Wild unter das Verbot. Montag und Donnerstag waren einfache Speisen vorgeschrieben: erstens ein bonfreies Menü, angekündigt auf der Speisekarte unter dem Titel »Was der Topf hergibt«. Genaueres durfte nicht mitgeteilt werden, nur dass bei diesem Gericht nicht mehr als fünfzig Gramm Fleisch und zehn Gramm Butter verwendet wurden. Zweitens war ein weiteres fleischloses Essen erlaubt, dazu vorweg eine Suppe und ein Pudding als Nachtisch. Beides schon lange kein Original mehr sondern aus »Ersatz«-Stoffen hergestellt, die ungeliebten Surrogate. Insgesamt sollten die Wirte kleinere Portionen austeilen.
    Mit jedem Monat, den der Krieg im Osten Europas und in Nordafrika weiterging, wurden Güter, Grundstoffe, Nahrungsmittel und die dringend benötigte Energie knapper. Die Deutschen versuchten einen Spagat: aus den besetzten Niederlanden noch mehr Güter abzuziehen, aber die Einschnitte für die Bevölkerung sozial verträglich zu halten, um Unruhen zu vermeiden. Im Juli wurde vorgeschrieben, die warmen Mahlzeiten in den Lokalen nur von 12 Uhr 30 bis 14 Uhr 30 und von 18 bis 21 Uhr zu servieren. Auf dem Tisch durften keine Kerzen mehr brennen. Warmes Wasser gab es im Hotel für die Gäste werktags nur morgens von sieben bis um halb neun Uhr, sonntags eine Stunde später. In Hotels und Geschäften wurden Lifte und Rolltreppen nur noch aufwärts benutzt und erst ab dem vierten Stock. Alles Energie-Sparmaßnahmen.
    Ab 13. August wurde frisches Obst als Nachtisch gestrichen, deutsches Militär ausgenommen. Ab Anfang Oktober 1942 brachte der Ober den Kaffee ohne Zucker, beides selbstverständlich »Ersatz«-Produkte. Die Amsterdamer nahmen es gelassen. Warum darüber sich aufregen, wenn man abends auf BBC oder Radio Oranje hörte, dass die Russen eine Gegenoffensive gestartet hatten, die deutschen Soldaten Moskau nicht einnehmen konnten und nun offenbar um Stalingrad in schwere Bedrängnis kamen.
    Den Amsterdamer Männern aber verging im Sommer 1942 der Spaß: Während die Damen noch ein Likörchen bestellen konnten, auch Bier noch erhältlich war, wurde in Amsterdams Kneipen und Lokalen der Vorrat an Wacholderschnaps knapp; genauer gesagt der Jenever, der zu Holland gehört wie Deiche und Windmühlen. Die Wirte versuchten es mit Humor und Privilegien für die Stammkundschaft. »Junger Jenever für alte Kunden« schrieben sie an die Gaststubenwand. Andere schenkten pro Tag 25 Gästen ein Gläschen ein, dann war Schluss. Die Preise stiegen von 15 bis 20 Cent 1940 auf bis zu 3,50 Gulden pro Glas Ende 1942. Es war auch kein Trost, dass längst die kleinen Häppchen zum Schnaps fehlten, die gesalzenen Erdnüsse und gebrannten Mandeln, die traditionellen »bitterballen« und die »knipperdolletjes«, runde Salzplätzchen.
    Die Besatzer hatten verboten, nach 19 Uhr harte Getränke auszuschenken. An den meisten Theken und Bars wurde vorsichtshalber nach dieser Uhrzeit gleich mit dem Jenever ein Glas Ranja

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