Leben mit Hochsensibilitaet
verwirrte mich. Von mir wurde erwartet, dass ich mich anpasste. Damit hatte ich unglaubliche Schwierigkeiten.“
Im Allgemeinen sind Hochsensible nicht versessen auf obligatorische Festlichkeiten wie Geburtstage und Empfänge. Auch wenn es fröhlich und aufrichtig zugeht, hat ein hochsensibler Mensch manchmal Schwierigkeiten, sich in dem Treiben zu behaupten. Geschäftiger Trubel bringt den Hochsensiblen weg von sich selbst. Es passiert zu viel (und es gibt beispielsweise zu viele Signale von Menschen, die sich nicht völlig wohl fühlen), so dass ein Hochsensibler sich überflutet fühlt. Und die oberflächlichen Unterhaltungen, flachen Witze und sexistischen Späßchen sind einfach nicht sein Ding. Letztens befand ich mich auf einer Geburtstagsfeier. Alle Stühle standen im Kreis und die Gäste trafen allmählich einer nach dem anderen ein. Einige Gäste begannen sofort, sich lautstark zu unterhalten. Kaffee und Kuchen wurden serviert. Die bekannten Gesprächsthemen machten die Runde. Nach einer Stunde war ich völlig erschöpft. Zu viele Menschen, zu wenig Tiefgang, zu viele Reize. Glücklicherweise gibt es in solchen Situationen meist auch Kinder. Kinder helfen hier häufig – wie Blitzableiter. Sie bieten eine gute Zuflucht für Menschen, die sich irgendwie gehemmt fühlen. Indem man mit ihnen spielt, kann man sich – unverfänglich und ohne sich entschuldigen zu müssen – aus den typischen sozialen Gesprächsverpflichtungen heraushalten. Und unter dem Vorwand des Spiels kann man in der sonst erstickenden Atmosphäre wieder etwas durchatmen.
Als Hochsensibler kommt man nicht umhin, selbst Verantwortung zu übernehmen, wenn es darum geht, Überreizung zu vermeiden. Statt es soweit kommen zu lassen, dass es zu viel für dich wird, solltest du rechtzeitig aus der Situation gehen. Natürlich ist das nicht immer einfach. Es wird dir noch häufiger passieren, dass du überreizt wirst. Versuche dann, so gut oder schlecht es irgend geht, diesin Worte zu fassen. Erkläre, was du brauchst. Nicht in allen Fällen hast du die Gelegenheit, fort zu gehen. Du hast auch Verpflichtungen. Du bist ein Teil der Gesellschaft und der Gruppe, zu der du gehörst. Vergiss nicht, dass die anderen dich wertschätzen und brauchen – wenn es beispielsweise um Besinnung und Sinngebung geht. Du musst nur etwas lauter rufen, um dir selbst Gehör zu verschaffen. Und du wirst auf jeden Fall gelegentlich Konflikte anzugehen haben.
Du brauchst dich meines Erachtens zu nichts zu zwingen. Wenn bestimmte soziale Verpflichtungen dir einfach nicht liegen, musst du dich nicht um jeden Preis dorthin schleppen. Lerne, aus dir selbst heraus zu erkennen, was du am liebsten mit Kollegen und Freunden machst – dann braucht in Zukunft darüber keine Verwirrung zu entstehen. Bedanke dich freundlich für eine Einladung und sage, dass du lieber zu einem anderen Zeitpunkt vorbeikommen oder dich verabreden würdest. Statt zu einem Empfang zu gehen, kannst du vorher auf deine eigene Art jemandem gratulieren, ein persönliches Geschenk übergeben oder deine aufrichtigen Glückwünsche aussprechen. Deine Abwesenheit wird dann als weniger störend empfunden werden. Oder lade Freunde zu einer Verabredung ein, die du selbst gestalten kannst -– so dass du dich nicht verpflichtet fühlen musst, alles x-Beliebige mitzumachen.
Neulich war ich mit meinem Mann ein Wochenende zu Gast bei Freunden. Es handelt sich um ein sehr sympathisches Ehepaar mit zwei Kindern. Sie sind eine verhältnismäßig ruhige Familie und stellten keine Forderungen an uns. Trotzdem verbrachten wir, wie es gesellschaftlich üblich ist, viel Zeit miteinander. Wir kauften zusammen ein, aßen zusammen, redeten viel miteinander und gingen zur selben Zeit schlafen. Für mich als Hochsensible war das alles unglaublich anstrengend. Ich kannte diese Menschen nicht so gut und beobachtete alles, was sie taten. Ich konnte mich einfach nicht davon lösen. Das kostete mich extrem viel Energie. Schon nach einem Tag merkte ich, dass ich lieber nach Hause fahren würde. Obwohl ich von Zeit zu Zeit wirklich gern unter Menschen bin, finde ich so einlang andauerndes Zusammensein schwer erträglich. Am zweiten Tag war ich den Tränen näher als dem Lachen und merkte, dass ich völlig ungeerdet war und auch kein bisschen Freude ausstrahlte. Es fühlte sich an, als ginge es ums pure Überleben. In solchen Momenten ist es schwierig, nicht in Selbstkritik zu verfallen. Du bist ein Spielverderber, du bist so
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