Leben mit Hochsensibilitaet
der Wüste zu erinnern scheint. Hochsensible sollten sich dadurch jedoch nicht entmutigt fühlen.
Was Inspiration für dich bedeutet, kannst nur du allein bestimmen. Inspiration und Besinnung können sich bei dir als Bedürfnis zum Meditieren äußern oder als Suche nach Kontakt zu Engeln oder anderen geistigen Führern oder als Beschäftigung mit Kunst oder als Wandern in der Natur. Vielleicht gehst du regelmäßig in eine Kirche, um dich geweiht zu fühlen. Es gibt vielfältigste Möglichkeiten, dieser grundlegenden Fürsorge für deine Seele Ausdruck zu verleihen. Meistens findest du im Laufe der Zeit deinen eigenen Weg. Wenn es dir gelingt, diese Inspiration mit anderen zu teilen, kannst du Sinngebung in deinem Leben erfahren. Es ist nicht unser Lebenszweck, uns von der äußeren Welt abzukapseln, uns in die Grotte der Einsamkeit zurückzuziehen mit unserer individuellen spirituellen Erfahrung. In dieser Welt mit anderen zu teilen, bedeutet auch, ein Stück deiner Inspiration weiterzugeben. Du kannst einen Teil deiner Berufung daraus machen, anderen so zu begegnen. Es erfordert Mut und Kreativität, kann dir indes letztendlich ein Gefühl deiner Bestimmung geben.
4.3 Stärke in Sanftmut
Hochsensible ziehen das Verbindende dem vor, was sie von anderen trennt. Die meisten Hochsensiblen suchen lieber das Gemeinsame als die Trennung. Sie werfen lieber das Handtuch, als für ihre Selbsterhaltung zu kämpfen. Sie warten lieber am Wegesrand, wenn andere in den Krieg ziehen. Sie ziehen es vor aufzubauen, statt zu vernichten, und sich aufzuopfern, statt zu profitieren. Sie gedeihen am besten in Harmonie. Die meisten von ihnen werden nach Möglichkeiten suchen, diese Tendenzen umzusetzen. In ihnen lebt die Weisheit, dass Versöhnung nur durch Liebe zustande kommt. Die Kraft der Hochsensiblen ist ihre Sanftmut.
Es ist äußert wertvoll, an dieser Sanftmut festzuhalten, auch wenn die ganze Umgebung dem widerspricht. „Das sanfte Wasser formt den härtesten Stein“, ist eine nicht umsonst vielzitierte Weisheit. Wer integer ist, braucht keinen Druck. Sanftmut ist Bescheidenheit, auf schöne und würdige Art. Sie erwartet keine Opfer, obwohl sie meist Geduld und harte Prüfung beinhaltet. Sanftmut bringt als großes Geschenk Würde; ohne Selbstverleugnung kannst du mit ihr große Höhen erklimmen. Bedenke in einsamen Momenten, dass für Vögel mit großen Flügelspannweiten nur in großen Höhen ausreichend Platz ist. Im Instinktiven, im Intuitiven und im Stillen liegt deine große Bedeutung für diese Welt. Zusammen mit Gleichgesinnten formst du das Gegengewicht zu den rationalen, zielgerichteten und aggressiven Kräften, die uns umringen. Die Kraft der Sanftmut ist wie ein Mutterschoß: Mütter sind geduldig mit ihren Kindern, Hochsensible sind geduldig mit der Welt. Selbst wenn das Resultat ihrer Arbeit nur mit der Lupe zu sehen ist, macht sie das glücklich.
Als Hochsensibler findet man es oft verlockend, sich den Erwartungen der herrschenden Kultur anzupassen. Viele werden das anfangs auch tun, bis sie erkennen, dass sie sich damit fortwährend verleugnen. Dann beginnt ein Prozess der Umkehr und des Zurückkehrens zu dem, was sie wirklich sind. Marion, Mutter und Sozialarbeiterin, haben wir schon im letzten Kapitel kennengelernt. Sie sagt in diesem Zusammenhang: „Langsam, langsam wage ich es, meine Hochsensibilität erhobenen Hauptes zu leben.“ „Erhobenen Hauptes“ ist ihre Formulierung für das Gefühl, das sie dabei hat. Statt niedergeschlagen zu sein aufgrund aller möglichen Energien, wie ihr das in der Vergangenheit so oft passierte, kämpft sie nun auf ihre eigene Art und Weise, um ihren Einfluss geltend zu machen. In einer Gesellschaft, die auf Produktionswachstum ausgerichtet ist, versucht Marion, ihre Fürsorglichkeit einzusetzen, weil das ihre ureigene, authentische Stärke ist. Nach 41 Jahren gelingt es ihr immer besser, ihre Sensibilität zu einer Kraft zu machen. Sich als Hochsensibler als schwach anzusehen, ist eine Fehleinschätzung,eine falsche Interpretation des Begriffs. Damit tust du dir selbst unrecht.
Es kann sein, dass du dich derart an deine Umgebung angepasst hast, dass du nicht mehr sanftmütig bist, weil du beispielsweise so oft verletzt wurdest. Vielleicht hast du eine Mauer zwischen deinen Gefühlen und der Welt aufgebaut. Manche Hochsensiblen fühlen kaum noch etwas, höchstens aufgestaute Wut oder Verbitterung. Sie haben ihre Integrität in Aggressivität und Zorn verwandelt.
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