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Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben

Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben

Titel: Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkana Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bedeutet dies, dass Menschen ungeachtet ihrer phänomenalen Unterschiede im Kern ihres Wesens alle eins sind. Und vielleicht, so meint Schopenhauer, erkennen wir das auf einer gewissen Ebene. Daraus würde sich das Mitgefühl erklären, die Fähigkeit von Menschen, sich mit anderen zu identifizieren, an ihrem Schmerz Anteil zu nehmen und ihnen sogar dann zu helfen, wenn uns das etwas kostet oder Opfer abverlangt. Schopenhauers Lehre einer allumfassenden menschlichen Verbundenheit impliziert, dass wir uns selbst verletzen, wenn wir andere verletzen, ob uns das nun bewusst ist oder nicht. 15 Diese Überlegung mag stimmen oder nicht, faszinierend ist jedenfalls, dass Menschen oft so handeln, als würde sie stimmen. Also hat Schopenhauers Philosophie etwas Prädiktives; sie vertieft unser Verständnis des menschlichen Verhaltens.
    Inzwischen werden aufmerksame Leser festgestellt haben, dass Schopenhauers Ideen praktisch identisch sind mit denen der östlichen Religion und Philosophie, besonders den zentralen Lehren des Hinduismus und Buddhismus. Seit mehr als tausend Jahren haben die Weisen des Ostens erklärt, die letzte Wirklichkeit sei eins, die Welt unserer Wahrnehmung sei nicht die wahre Welt, unsere phänomenale Erfahrung eine Art Erscheinung oder Illusion und die Menschen seien nicht nur miteinander, sondern auch mit allen anderen Lebewesen verbunden. Diese starke Ähnlichkeit zwischen Schopenhauers Schlussfolgerungen und dem östlichen Denken hat im Westen viele Leute, darunter auch einige Gelehrte, zu der Vermutung verleitet, Schopenhauer habe seine Vorstellungen vom Hinduismus oder Buddhismus übernommen oder sich zumindest stark von diesen
Lehren beeinflussen lassen. Aber Schopenhauers Biograf Brian Magee bestreitet das. Vielmehr habe Schopenhauer, wie Kant, vollkommen in der Tradition der westlichen Philosophie gestanden, die mit Parmenides und Platon begann und von Descartes, Locke, Berkeley und Hume fortgeführt wurde. Als Schopenhauer zu seinen Schlussfolgerungen gelangte, sah er, dass sie dem östlichen Denken sehr ähnlich waren, und diese Entdeckung erstaunte und entzückte ihn. In seinen späteren Schriften hob er diese Nähe zu den östlichen Lehren hervor, und er trug dazu bei, ein europäisches Publikum mit den Vorstellungen der östlichen Religionen vertraut zu machen. Aber Schopenhauer ging es nie darum, dass sich diese beiden Traditionen gegenseitig beeinflussten, sondern er hielt es für bemerkenswert, dass östliche und westliche Denker völlig unabhängig voneinander die wichtigsten Fragen aufgegriffen hatten und auf sehr unterschiedlichen Wegen im Kern zu demselben Ergebnis gelangt waren. 16
    Was bedeutet das nun alles für das Leben nach dem Tod? Schopenhauer gibt zu, dass unser Körper nach dem Tod zerfällt und unsere Individualität verlorengeht. Er bestreitet die Unsterblichkeit der Person, an die Juden, Christen und Moslems glauben. Wenn wir sterben, endet die phänomenale Welt für uns. »Du, als Individuum, endest mit dem Tod.« Kein Wunder, dass wir den Tod als Auslöschung wahrnehmen. Wir fürchten ihn, weil er eine Bedrohung für den Lebenswillen ist, in dem Schopenhauer die treibende Kraft unserer irdischen Existenz erkannt hat. Aber Schopenhauer behauptet, diese Furcht vor dem Tod sei selbst eine Illusion, weil der reale oder noumenale Teil von uns nicht sterben kann. Schopenhauer bestreitet nicht etwa ein
Leben nach dem Tod, sondern bestätigt es: »Dein Wesen an sich selbst … kennt weder Zeit, noch Anfang, noch Ende … [In diesem Sinne] bist und bleibst du alles.« Mit anderen Worten: Nach dem Tod sind wir vollständig integriert in das Reich des Noumenalen, aus dem wir ursprünglich hervorgegangen sind. Für Schopenhauer, der dem Leben in dieser Welt pessimistisch gegenüberstand, ist der Tod eine Art Befreiung, ein Abwerfen des Schleiers der phänomenalen Existenz und die Entdeckung unseres wahren Einsseins miteinander und der grenzenlosen Realität selbst. Wenn wir sterben, ist die Zeit des Getrenntseins vorüber, und wir leben weiter als Teil der absoluten Wirklichkeit, welche die einzige Wirklichkeit ist, die es gibt. 17
    Schopenhauers Leben nach dem Tod ist kein christliches, aber wir sollten die Bedeutung seiner Leistungen nicht verkennen. Wie Kant ist Schopenhauer ein Denker von unvergleichlicher Größe, der seine Ideen innerhalb der rationalen Tradition formuliert hat, auf der das westliche Denken beruht. Schopenhauer war ein Atheist, und Kant war ein Christ, doch

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