Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben
Eigennutzes zu beschränken und anzufechten, was der Moral einen unzweifelhaft antievolutionären Schub verleiht. Wie erklären wir also die Existenz moralischer Werte, die im Gegensatz zu unserer animalischen Natur stehen? Die Annahme, dass es eine kosmische Gerechtigkeit gibt, die nicht in diesem, sondern in einem anderen Leben jenseits des Grabes erlangt wird, ist die bei weitem beste und in mancher Hinsicht einzige Erklärung. Diese Vorbedingung begründet voll und ganz, warum Menschen auch dann noch für Güte und Gerechtigkeit eintreten, wenn die Welt böse und ungerecht ist.
Beachten Sie, was dieses präsumtive Argument nicht sagt: Es behauptet keineswegs, dass irgendwo anders Gerechtigkeit herrschen muss, weil es in dieser Welt Ungerechtigkeit gibt. Es sagt auch nicht, dass der menschliche Wunsch nach einer besseren Welt ausreicht, eine andere Welt zu erzeugen, die besser ist. Es beginnt vielmehr mit der Erkenntnis, dass die Wissenschaft zwar vieles in der Natur explizit erläutert, einen großen Teil der menschlichen Natur aber anscheinend überhaupt nicht zu erklären
vermag. Vor allem die Evolutionstheorie begründet zwar plausibel, warum wir selbstsüchtige Tiere sind, sie kann jedoch nicht überzeugend darlegen, warum wir gleichzeitig der Meinung sind, wir sollten nicht selbstsüchtig sein. Weit davon entfernt, wie jedes andere Tier den Tatsachen des Lebens ins Gesicht zu sehen, hegen wir Ideale, die nie erfüllt wurden und nie vollständig erfüllt sein werden. Wir sind Geschöpfe mit Fehlern, die so handeln, als sollten sie fehlerfrei sein. Wir wissen, dass wir in einer ungerechten Gesellschaft leben, wo der Bösewicht es oft an die Spitze schafft, während der Gute scheitert, aber wir halten weiter daran fest, dass unsere Gesellschaft anders sein sollte. Wir sagen Dinge wie: »Was man sät, das wird man ernten«, wohl wissend, dass es in dieser Welt nicht immer so ist. Trotz der harten Tatsachen des Lebens versichern wir unermüdlich, dass es so sein sollte. Mit anderen Worten: Unsere Ideale widersprechen der Wirklichkeit unseres Lebens. Einzigartig unter allen lebenden und nichtlebenden Objekten versuchen wir anscheinend, gegen die Gesetze der Evolution zu verstoßen und uns der Kontrolle der Naturgesetze zu entziehen.
Warum ist das so? Warum agieren wir weiterhin so, als gäbe es eine bessere Welt mit besseren Idealen, die über diese Welt zu Gericht sitzt? Die beste Erklärung lautet meiner Meinung nach, dass es eine solche Welt gibt. Anders gesagt: Die Annahme eines Lebens nach dem Tod und der Verwirklichung des Ideals kosmischer Gerechtigkeit ist besser als jede andere Hypothese geeignet, unser moralisches Wesen sinnvoll zu erklären.
Bevor wir nun mit unserer Diskussion beginnen, möchte ich noch einen Einwand beantworten, der manchem Leser
schon auf der Zunge liegen wird. Skeptiker werden vielleicht meine Behauptung ablehnen, dass gewisse Eigenschaften der menschlichen Natur sich der wissenschaftlichen Erklärung zu entziehen scheinen. Sie werden mich beschuldigen, ich suchte hier auf schändliche Weise beim »Gott der Lücken« Zuflucht. Sie werden sagen, dass ich an Gott und das Übernatürliche appelliere, um Phänomene zu begründen, die die Wissenschaft noch nicht erklärt hat. Wie Carl Sagan im Buch The Varieties of Scientific Experience schrieb: »Mit dem Fortschreiten der Wissenschaft scheint es für Gott immer weniger zu tun zu geben.« 2 Für einen Skeptiker ist es nicht legitim, sich auf Lücken zu berufen, denn dass die Wissenschaft jetzt noch keine Antwort hat, bedeutet nicht, dass sie nicht morgen oder irgendwann später die Lösung finden wird. So gesehen ist der Gott der Lücken ein letzter verzweifelter Schachzug des Theisten, der nach kleinen Löchern im wissenschaftlichen Verständnis der Welt sucht und diese dann seiner bevorzugten Gottheit übergibt.
Einige Kreationisten spannen diese Art von Lücken vor ihren Karren, um einen übernatürlichen Schöpfer zu postulieren. Sie behaupten beispielsweise, die Wissenschaft habe keine Erklärung für die Kambrische Explosion, also müsse Gott dabei direkt seine Hand im Spiel gehabt haben. Aber es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Kambrische Explosion sich einer natürlichen Erklärung entzieht, auch wenn wir diese Erklärung noch nicht haben. Die »Lücken«-Kritik der Skeptiker ist in einem solchen Fall durchaus berechtigt. Auf meine Argumente passt sie jedoch nicht, weil ich keinen Gott der Lücken postuliert habe;
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