Leben ohne Krankheit: »Einer der besten Mediziner Amerikas lehrt ein radikal neues Denken über unsere Gesundheit.« Al Gore (German Edition)
für eine vergleichende Langzeitstudie, weil sie ähnliche Lebenserfahrungen mitbrachten, die keine störenden Variablen wie Einkommen, Schwangerschaften oder starken Tabak- und Alkoholkonsum enthielten. In Snowdons Buch von 2001 mit dem Titel Lieber alt und gesund: Dem Altern seinen Schrecken nehmen, das seine Erfahrungen beschrieb, heißt es, dass eine der wichtigsten Aussagen dieser Studie die Wichtigkeit einer positiven Einstellung und eines geistig aktiven Lebensstils sei, wenn man der unheilbaren und immer noch mysteriösen Demenz vorbeugen wolle. Er schrieb auch, dass sich die Lebhaftigkeit und Komplexität der Lebensläufe von Bewerberinnen für das Klosterleben als mit die besten Voraussagen für eine spätere Alzheimer-Erkrankung erwiesen hatten. Je mehr Themen und Ideen die Texte der Nonnen aufwiesen, desto sicherer waren sie vor Demenz.
Die inzwischen berühmte Nonnenstudie war erst der Anfang. Inzwischen gibt es endlich eine Handvoll Studien landesweit, die sich gespendeter Gehirne bedienen, deren Fallgeschichte durch zu Lebzeiten durchgeführte Gedächtnistests und körperliche Untersuchungen bekannt ist. Die National Institutes of Health gewährten der Rush University 2009 ungefähr 5,5 Millionen Dollar Forschungsgelder für das Studium epigenetischer Veränderungen – chemischer Modifikationen an den Genen, die durch Ernährung, Alterung, Stress oder Umweltfaktoren verursacht werden können – und ihrer Rolle bei der Bildung des Gedächtnisses und beim Abbau der kognitiven Funktionen.
Diese Studien haben bereits überraschende Ergebnisse erbracht, darunter ein Konzept, das der Neurologe David Bennett, Direktor des Alzheimer’s Disease Center der Rush University, als »neuronale Reserve« bezeichnet. Fast ein Drittel der Probandinnen, die starben, ohne zuvor an beobachtbarem Gedächtnisschwund gelitten zu haben, zeigten unter dem Mikroskop der Neuropathologen typische Anzeichen der Alzheimer-Krankheit im Gehirngewebe. Das heißt, ihre Gehirne mussten eine Art Reserve enthalten, um trotz dieser Krankheitszeichen noch so gut funktionieren zu können. Diese bestehen aus der Ablagerung von Amyloid-Plaque zwischen den Neuronen und von Neurofibrillen in den Neuronen selbst. Diese Plaques und Fibrillen tragen ihre Namen zu Recht: Man kann sie sich als »klebrige« Übeltäter vorstellen, die das Gehirn verklumpen und die Nervenzellen verfilzen und so die normale Funktion des Gehirns zerstören.
Die Wirkung von amyloider Plaque und Neurofibrillen auf die Gehirnfunktion ist keineswegs vollständig erforscht. Die meisten Alzheimer-Patienten haben Plaques und Fibrillen, eine geringe Anzahl hat entweder nur Plaques oder nur Fibrillen. Was aber ist mit denjenigen, die zwar solche physischen Krankheitsanzeichen aufweisen, aber keine weiteren Alzheimer-Symptome? Diese Fälle zeigen, wie wenig wir noch über die Krankheit wissen. Bennetts Erklärung der neuronalen Reserve ist ein Versuch, die Diskrepanzen zu berichtigen, da ihm bei denjenigen, die trotz Plaques und Fibrillen nicht mit Alzheimer diagnostiziert wurden, bestimmte Muster auffielen.
Die neuronale Reserve schien nämlich hauptsächlich bei gebildeten Menschen aufzutreten, die sozial und körperlich aktiv blieben. Laut Bennett könnte es daher möglich sein, das Einsetzen der Demenzsymptome hinauszuzögern, indem man »mit seinen Lebenserfahrungen ein besseres Gehirn aufbaut«. Warum waren die Gehirne dieser Menschen widerstandsfähiger als andere? Wenn wir herausfinden, was sie richtig machten, könnten wir vermehrt evidenzbasierte Vorsorgemaßnahmen entwickeln, um unser Gehirn lebenslang zu schützen, und dadurch hoffen, so lange wie möglich so intensiv wie möglich am Leben teilzuhaben.
Die Vorstellung, dass wir unser Gehirn aufbauen können, damit es sich selbst gegen schädliche Entzündungen verteidigt, ist ermutigend; denn sie bedeutet, dass wir nicht hilflos zuschauen müssen, wie unser Gehirn zu Mus wird. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form von Demenz: 5,3 Millionen US-Amerikaner leiden an ihr, und sie ist die siebthäufigste Todesursache. Die Anzahl der Fälle steigt außerdem, weil die Amerikaner durch eine gesündere Lebensweise und verbesserte Gesundheitsvorsorge immer länger leben, und eine weitere Zunahme wird erwartet, wenn die Babyboomer-Generation das Seniorenalter erreicht. In Deutschland sieht die Situation ähnlich aus. Es kann einen zur Verzweiflung treiben, wenn man jahrelang miterleben muss, wie ein geliebter
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